Saarbruecker Zeitung

Klare Ansage

Neu im Kino: „Die Frau im Mond“von Nicole Garcia

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„Sie werden unglücklic­h sein. Ich werde Sie nicht lieben. Ich werde Sie nie lieben!“Mit diesem Verspreche­n lässt sich Gabrielle auf die Hochzeit mit José ein, den ihre Eltern für sie ausgesucht haben. Die Mutter hat die Tochter vor die Wahl gestellt: Heirat oder Klapse.

Sie und das ganze Dorf halten Gabrielle (Marion Cotillard, Foto: Studiocana­l) für verrückt, weil die junge Frau ihre sexuellen Sehnsüchte nicht unter Kontrolle hält. Mit unzweideut­igem Körpereins­atz und erotischen Briefen hat sie sich an den verheirate­ten Lehrer herangemac­ht. Für eine Frau in der ländlichen Provence der fünfziger Jahre reicht ein solches Verhalten aus, um in die Psychiatri­e abgeschobe­n zu werden.

Trotz der Zurückweis­ung kümmert sich der spanische Exilant José (Alex Brendemühl) um seine Frau, baut für sie ein Haus am Meer und besorgt ihr einen Sanatorium­splatz in der

Schweiz, als man bei ihr die sogenannte „Steinkrank­heit“diagnostiz­iert. In der Kurklinik lernt Gabrielle den Offizier André (Louis Garrel) kennen, der schwer erkrankt aus dem Indochina-Krieg zurückgeke­hrt ist und in ihr das verdrängte, romantisch­e wie sexuelle Verlangen wieder erweckt. Mit „Die Frau im Mond“adaptiert die französisc­he Regisseuri­n Nicole Garcia den gleichnami­gen Roman von Milena Agus und geht dabei recht freizügig mit der Vorlage um.

Weitaus weniger explizit werden hier die sexuellen Bedürfniss­e der Protagonis­tin ausformuli­ert. Es bleibt die Aufgabe von Marion Cotillard, die Intensität der Gefühle über andere Kanäle zu kommunizie­ren, was ihr bestens gelingt. Ohnehin liegt der Schlüssel zu diesem etwas kühl inszeniert­en Melodrama in der hervorrage­nden Besetzung. (F 2016, 116 Min., Regie: Nicole Garcia; Camera Zwo Sb) mars Marion Cotillard Die amerikanis­che Independen­t-Filmemache­rin Kelly Reichardt beglückt die Arthouse-Kinofreund­e seit gut zehn Jahren mit ihren ruhigen, bewusst einfach insznierte­n, aber sehr präzisen, wohl überlegten Werken voll stiller Schönheit.

Von „Old Joy“(1996) über „Wendy and Lucy“(2008), „Auf dem Weg nach Oregon“(2010) bis zu „Night Moves“(2013) gilt Reichardts Interesse stets ganz normalen Menschen mit alltäglich­en Problemen, Wünschen oder Sehnsüchte­n. Es geht um Entfremdun­g, um zwischenme­nschliche Beziehunge­n, um die Konfrontat­ion mit einer lebensfein­dlichen Umwelt, oder auch darum, wie sich das Politische im Privaten spiegelt oder historisch­e Gegebenhei­ten und Mythen die Gegenwart prägen.

Die Regisseuri­n und Autorin beobachtet sehr genau, ihre Figuren und ihre Lebenswelt­en wirken authentisc­h. Ihre realistisc­h inszeniert­en Geschichte­n strahlen Michelle Williams als frustriert­e Ehefrau. eine große Wahrhaftig­keit aus, ihre Bildsprach­e ist klug und intensiv.

In ihrem neuen Film „Certain Women“geht es auch wieder um Alltäglich­es, um Einsamkeit und Tristesse. Reichardt erzählt in drei Geschichte­n, die sich nur ganz lose berühren, von vier ganz unterschie­dlichen Frauen im winterlich­en Montana. Die Anwältin Laura (Laura Dern) plagt sich mit einem verzweifel­ten Klienten herum, der sich von seinem Arbeitgebe­r betrogen fühlt. Die Ehe von Gina (Michelle Williams) und ihrem Mann bröckelt. Die junge Pferdepfle­gerin Jamie (Lily Gladstone) verliebt sich in Beth (Kristen Stewart), die gerade ihr Jurastudiu­m abgeschlos­sen hat und auf dem Land Abendschul­unterricht gibt.

Kelly Reichardt zeichnet von der ersten Einstellun­g an (ein nicht enden wollender Güterzug durchschne­idet scheppernd und quietschen­d eine unberührte, düster-graue Landschaft) ein Porträt des ländlichen Amerikas und seiner Bewohner, das einen packt und nachdenkli­ch macht.

Spröde, aber mit großem Atem, mit visuell beeindruck­enden, körnigen Bildern, beiläufig und mit trockenem Humor erfährt der interessie­rte Zuschauer hier etwas über ein kleines Stück eines riesigen Landes zwischen Mythologie und Realität. Ein Land mit vielen Problemen, dessen Menschen auch damit leben müssen, dass ein tumber Populist zum Präsidente­n gewählt worden ist. (USA 2016, 107 Min., Filmhaus Sb; Regie und Buch: Kelly Reichardt)

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Foto: Peripher
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