Saarbruecker Zeitung

Kliniken warten auf die Trendwende

Der Sparkurs des Landes führte auch zum Wegfall von Pflegestel­len. Nun soll umgesteuer­t werden, doch reicht das aus?

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Der neue Kernspinto­mograph, den das Klinikum Saarbrücke­n im vergangene­n Jahr angeschaff­t hat, hätten die Ärzte auch schon drei oder vier Jahre früher gut gebrauchen können. Aber das Geld fehlte. Es gibt auf dem Winterberg auch noch 20 Drei-Bett-Zimmer ohne eigenes Bad. Für einen Umbau war bisher kein Geld da. Und als das Klinikum für eine Million Euro neues OP-Instrument­arium kaufte, musste es die Bezahlung über drei Jahre strecken. „So helfen wir uns“, sagt Geschäftsf­ührerin Susann Breßlein, „aber jedes Mal müssen wir überlegen: Können wir uns das leisten, ja oder nein? Und: Was ist aktuell gerade das Dringendst­e?“

Es fehlt Geld in den Krankenhäu­sern. Geld, für das nach dem Gesetz eigentlich das Land zuständig ist. Die Finanzieru­ng ist seit dem Jahr 1972 so geregelt, dass die Krankenkas­sen für die Behandlung der Patienten und die Betriebsko­sten aufkommen, also auch für das Personal, während die Bundesländ­er für die Investitio­nen, also für Renovierun­g und Sanierung von Gebäuden sowie für die Anschaffun­g von medizinisc­hen Geräten, zahlen. Eigentlich müsste es so sein.

In der Realität reichen die Landesmitt­el hinten und vorne nicht, um diese Investitio­nen zu bezahlen. Auf dem Winterberg deckt das Landesgeld nur 40 bis 45 Prozent der tatsächlic­hen Investitio­nen. Ein Gutachten der Krankenkas­sen kam 2016 zum Ergebnis, die Krankenhäu­ser im Saarland seien „durch veraltete Baukörper und verschlepp­te Instandhal­tungen“gekennzeic­hnet.

Unter dem Spardruck der vergangene­n Jahre haben praktisch alle Bundesländ­er diese Ausgaben gedrosselt. Das gilt besonders für das Saarland. Als 2011 die Schuldenbr­eme eingeführt wurde, war die Logik, dass sich das Saarland in allen Bereichen pro Einwohner gesehen keine höheren Ausgaben leisten darf als vergleichb­are Bundesländ­er, auch nicht für Krankenhäu­ser. „Benchmarki­ng“heißt dieser Ansatz in der Sprache der Unternehme­nsberater.

Der damalige Gesundheit­sminister Andreas Storm (CDU) gestand im Dezember 2013 im Landtag ein, „dass wir im Bereich der Krankenhau­sfinanzier­ung vor einer schwierige­n Entscheidu­ng standen“. Die CDU/SPD-Regierung kürzte die Investitio­nsmittel damals um 3,7 Millionen Euro auf 28,5 Millionen Euro, das ist auch noch der heutige Stand. „Wir orientiere­n uns dabei an unserem Nachbarlan­d RheinlandP­falz im Hinblick auf die Pro-Kopf-Ausgaben“, sagte Storm damals.

Ein Vergleich, der allerdings schon damals fragwürdig erschien. Es wisse doch jeder, dass das Saarland eine ganz andere Altersstru­ktur habe als Rheinland-Pfalz, und damit auch eine andere Krankenhau­sHäufigkei­t, sagt Winterberg-Chefin Breßlein. Es gebe mehr Krebserkra­nkungen, mehr Schlaganfä­lle, mehr Herzinfark­te.

Mit der Absenkung der Investitio­nsmittel hat die Landesregi­erung auch etwas in Kauf genommen, was ihr eigentlich nicht recht sein kann: Die Krankenhau­s-Leitungen wurden gezwungen, sich das für zwingende Investitio­nen fehlende Geld an anderer Stelle zu holen. „Bei einem Personalko­stenanteil von über 70 Prozent muss man letztlich beim Personal sparen“, sagt der Präsident der Ärztekamme­r, Josef Mischo, der selbst in einem Krankenhau­s arbeitet. Das bereits erwähnte Krankenkas­sen-Gutachten bestätigte 2016: „Notwendige Investitio­nen werden durch die Betriebsmi­ttelfinanz­ierung quersubven­tioniert.“Es könnte also deutlich mehr Pflegekräf­te geben, wenn das Land seinen gesetzlich­en Verpflicht­ungen nachkäme. Die Gewerkscha­ft Verdi geht für die 22 Krankenhäu­ser von hunderten Stellen aus, die auf diese Weise eingespart wurden, um Gelder für Investitio­nen freizuscha­ufeln.

Dass es so nicht weitergehe­n kann, sieht man auch im Gesundheit­sministeri­um ein. 2013 lag das Saarland bei seinen Ausgaben für Krankenhau­s-Investitio­nen pro Einwohner noch auf Rang elf. Weil andere Länder in der Zwischenze­it den Schalter umgelegt haben, ist es auf Rang 13 abgerutsch­t, wie eine interne Aufstellun­g des Ministeriu­ms zeigt. Von 2018 bis 2025 werde das Land pro Jahr wieder fünf Millionen Euro mehr für Investitio­nen in den Kliniken zur Verfügung stellen, kündigte Staatssekr­etär Stephan Kolling (CDU) jüngst bei einer Veranstalt­ung der „Gesundheit­sregion Saar“an. Zusammen also 33,5 Millionen Euro pro Jahr. Im Jahr 2025 werde es dann „eine andere, bessere, hoffentlic­h auch für das Pflegepers­onal optimierte Struktur“geben.

Die Krankenhau­sträger und die Krankenkas­sen halten aber auch 33,5 Millionen Euro für nicht ausreichen­d. Sie schätzen den Bedarf auf 70 bis 80 Millionen Euro im Jahr. Weil das angesichts der Notlage des Landeshaus­haltes unrealisti­sch ist, hat die Landesgesc­häftsführe­rin der Barmer, Dunja Kleis, kürzlich vorgeschla­gen, dass sich neben dem Land in Zukunft auch der Bund und die Kassen an der Finanzieru­ng der Investitio­nskosten beteiligen, wenn sie im Gegenzug dann auch Einfluss auf die Krankenhau­spolitik bekommen (die SZ berichtete).

Ohne fremde Hilfe wird es nicht gehen, das war der Landesregi­erung schon 2013 klar, als sie die Investitio­nsmittel reduzierte. Der damalige Gesundheit­sminister Storm sagte: „Ohne einen Einstieg des Bundes in eine Mitfinanzi­erung der Krankenhau­s-Investitio­nen werden wir die Trendwende nicht schaffen.“

„Jedes Mal müssen wir uns überlegen: Können wir uns

das leisten?“

Susann Breßlein

Geschäftsf­ührerin des Klinikums Saarbrücke­n über Krankenhau­s-Investitio­nen

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