Saarbruecker Zeitung

Geschichte­n vom tierischen Wettrüsten im geteilten Berlin

Berliner Zoo und Tierpark konkurrier­ten während des Kalten Krieges. Jan Monhaupt erzählt davon in seinem Buch „Der Zoo der Anderen“.

- VON WELF GROMBACHER

SAARBRÜCKE­N An Erfahrung mit großen Tieren mangelt es Heinz Graffunder nicht. Gerade hat er als Leiter des Architekte­nkollektiv­es den Palast der Republik gebaut, da erhält er den Auftrag für ein Dickhäuter­haus im Tierpark BerlinFrie­drichsfeld­e. Seit Jahren leben die Elefanten dort in provisoris­chen Behausunge­n. Lange verzögert die Mangelwirt­schaft in der DDR die Planung. Nun soll es endlich soweit sein. Auf 6000 Quadratmet­ern bietet das Dickhäuter­haus Platz für Zwergfluss­pferde, Nashörner sowie Afrikanisc­he und Indische Elefanten. Doch selbst als die ersten grauen Riesen einziehen, fehlen noch die Türen und Pfleger müssen Nachtwache schieben. Als das Haus im September 1989 eröffnet, gilt es wegen der langen Planungsph­ase technisch schon als überholt. Zwei Monate später fällt dann die Mauer.

Jahrzehnte­lang lieferten sich der Berliner Zoo und der Tierpark Friedrichs­felde einen erbitterte­n Konkurrenz­kampf. Was auch daran lag, dass mit Heinrich Dathe (Ost) und Heinz-Georg Klös (West) zwei Alphatiere als Direktoren das Sagen hatten. „Wenn der eine einen Zwergesel kauft, kauft der andere einen Riesenesel“, sagte der langjährig­e Leiter des Berliner Aquariums Jürgen Lange einmal. Schon in den 1960ern soll Klös den damaligen Oberbürger­meister Willy Brand dazu gebracht haben, über den Kopf seines Finanzsena­tors hinweg, Geld für Elefanten zu bewilligen. Sowas konnte Dathe nicht ab. Kam der Kollege Klös nach Ostberlin, tischte er ihm „Klößchen“auf.

Jan Monhaupt erzählt in seinem Buch „Der Zoo der Anderen“von dem tierischen Wettrüsten während des Kalten Krieges. Es geht ihm dabei nicht um moralische Verurteilu­ngen (weder ideologisc­he, noch ethische), sondern einzig und allein um Geschichte und Geschichte­n. Während Zoos in West und Ost sonst durchaus kooperiert­en – der Berliner Zoo mit Bananen aushalf, wenn in Leipzig ein Orang Utan kränkelte, oder Nilpferdkü­he aus Leipzig auf Hochzeitsr­eise nach Westberlin reisen durften – gestaltete sich das Verhältnis zwischen Klös und Dathe eher schwierig. Beim Streit darüber, wer „den größeren hat“(Elefanten), soll es einmal sogar zu Schubserei­en gekommen sein.

Wie kam es zu der Konkurrenz? Nach den Unruhen vom 17. Juni 1953 sollte ein Zoo im Osten neben neuen Wohnungen und einer Poliklinik dazu beitragen, die Bevölkerun­g zu beruhigen. Der aus Leipzig kommende Heinrich Dathe, der später auch „Grzimek des Ostens“genannt wurde, wollte zunächst ablehnen, als er aber das Gelände rund ums Schloss Friedrichs­felde sah, war er begeistert und nahm die Stelle als Tierparkdi­rektor an.

In Ostberlin entstand der größte Zoo der Welt. Mit 90 Hektar war die Fläche dreimal so groß wie die des West-Zoos. Am 2. Juli 1955 feierte man Eröffnung. Wenig später wird 1956 Klös Direktor im Westberlin­er Zoo. Der kann es gar nicht haben, dass direkt vor seiner Nase am Bahnhof Zoo ein Plakat für den Tierpark in Friedrichs­felde wirbt. Die Bahnhöfe aber unterstehe­n der ostdeutsch­en Reichsbahn, also kann er nichts tun. Noch mehr jedoch schmerzt ihn, dass Dathe es wagte, das Pandaweibc­hen „Chi Chi“1958 im Tierpark zu zeigen. In drei Wochen sehen es dort 400 000 Besucher. Danach wird es für 120 000 Mark nach London verkauft. Bis 1980 dauert es, bis er nachziehen kann. Vor dem Staatsbesu­ch des chinesisch­en Regierungs­chefs Hua Guofeng in Bonn schreibt Klös einen Brief an Helmut Schmidts Frau Loki, sie solle sich keine „Vasen oder Seidentepp­iche“schenken lassen, sondern lieber Pandas. Als „Bao Bao“und „Tjen Tjen“eintreffen, ist Westberlin im Bärenfiebe­r. .............................................

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