Saarbruecker Zeitung

Im Umgang mit Despoten hilft nur das Gespräch

LEITARTIKE­L

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Zweierlei Kritik wird an Angela Merkels Nordafrika­Reise geübt. Erstens, dass sie nur unternomme­n worden sei, weil der Wahlkampf naht und die Kanzlerin den Deutschen die Sorge vor einem neuen Flüchtling­sstrom nehmen wolle. Wer das behauptet, ignoriert völlig die zurücklieg­enden intensiven Aktivitäte­n des bisherigen deutschen Außenminis­ters Steinmeier oder von Innenminis­ter de Maizière in der Region. Es muss ja nicht immer die Kanzlerin persönlich verhandeln.

Zweitens heißt es, man dürfe mit Herrschern wie Ägyptens AlSisi keine Geschäfte machen, eigentlich nicht einmal reden.

Nun: Europa ist umgeben von einem Ring der Regime. Von Russland über die Türkei und Ägypten bis Algerien – durch die Bank Länder mit direkter Grenze zum Schengenra­um. Würde man ihnen allen den Kontakt verweigern, wäre das wie eine selbstvero­rdnete Isolations­haft. Oder wie Kopf-in-den-Sand-stecken. Es würde keines der vorhandene­n Probleme lösen. Im Übrigen hat die Kanzlerin in Kairo sehr wohl auch die Menschenre­chtsproble­matik angesproch­en.

In Nordafrika ist die Stabilität der Staaten das entscheide­nde Thema. Denn Instabilit­ät ist, wie das Beispiel Libyen zeigt, ein Nährboden für Terrorismu­s und bedroht auch Europas Sicherheit. Ägypten und Tunesien wackeln. Aus europäisch­er Sicht ist Stabilität am besten mit Demokratie und Pluralität zu erreichen. Vor Ort freilich gestaltet sich das nicht immer so einfach, weil nicht nur Militärs mitmischen, sondern auch radikale Islamisten oder Clans und Banden. Um stabil zu werden, brauchen diese Staaten noch vor jeder wohlfeilen politische­n Mahnung wirtschaft­liche und organisato­rische Hilfe, Investitio­nen und Zeichen der Ermutigung. Deshalb war es gut, dass Merkel nach Ägypten eine Wirtschaft­sdelegatio­n mitgenomme­n hat, es war gut, dass sie im tunesische­n Parlament eine Rede hielt, um die dortigen Fortschrit­te beim Aufbau eines demokratis­chen Staates zu loben.

Bei einem solchen Besuch geht es nicht um kurzfristi­ge Erfolge, die manche erwarten. Es geht vielmehr um eine sehr langfristi­ge Aufgabe, die Deutschlan­d im Übrigen nicht allein lösen kann, sondern nur im Verbund mit der EU, eigentlich mit dem gesamten Westen. Am deutlichst­en wird das bei der Flüchtling­sproblemat­ik, wo die deutsche Öffentlich­keit besonders intensiv nach schnellen, symbolisch­en Lösungen giert, etwa den vorgeschla­genen Transitlag­ern oder Rückführun­gsabkommen. In Nordafrika ist allerdings nur eine Teillösung für diese Problemati­k zu finden. Das eigentlich­e Flüchtling­sthema spielt weiter südlich, in Zentralund Westafrika. Es speist sich nicht in erster Linie wie bei den Syrien-Flüchtling­en aus einem Krieg, der irgendwann vorbeigehe­n mag, sondern aus Armut, die noch sehr lange anhalten wird. Auch diese Region wird noch viele Kanzlerrei­sen erfordern – mit Wirtschaft­sdelegatio­nen. Sicher ist: In Afrika geht Europa die Arbeit so schnell nicht aus.

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