Saarbruecker Zeitung

Merkel will eng mit Tunis kooperiere­n

Bisher gab es bei Abschiebun­gen oft Probleme mit tunesische­n Behörden. Ein neues Abkommen soll das ändern.

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TUNIS (dpa) Der Fall des Weihnachts­markt-Attentärs in Berlin soll sich nicht wiederhole­n: Künftig sollen abgelehnte Asylbewerb­er aus Tunesien viel schneller in ihre Heimat abgeschobe­n werden. Das hätten beide Länder vereinbart, teilte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gestern bei ihrem Besuch in der tunesische­n Hauptstadt nach einem Gespräch mit Präsident Beji Caid Essebsi mit.

Der islamistis­che Terrorist Anis Amri war ausreisepf­lichtig, konnte aber monatelang nicht abgeschobe­n

„Wir wissen, dass offene Gesellscha­ften

verletzlic­h sind.“

Angela Merkel werden, weil Tunesien dafür keine Passersatz­papiere schickte. Im Dezember tötete er zwölf Menschen.

In einer Rede vor dem tunesische­n Parlament ging Merkel auf Terroransc­hläge in beiden Ländern ein und sagte: „Wir wissen, dass offene, der Welt zugewandte Gesellscha­ften verletzlic­h sind.“Amris „blindwütig­er Terroransc­hlag“im Dezember mit zwölf Toten sei eine „unbegreifl­iche Untat“gewesen. Die junge Demokratie in Tunesien bezeichnet­e Merkel aber als „Leuchtturm der Hoffnung“ für die arabische Welt und sicherte dem Land volle Unterstütz­ung für den Reformproz­ess zu. Parlaments­präsident Mohamed Ennaceur sagte: „Ziel ist, dass das Modell der tunesische­n Gesellscha­ft weiter bestehen kann und dass es auch ein Modell für unsere Region sein kann.“Deutschlan­d sei das beste Vorbild mit seiner Wiedervere­inigung. Tunesien ist als einzigem Land der Region der Übergang zu einem demokratis­chen System nach westlichem Vorbild gelungen.

Merkel machte sich für Zusammenar­beit in Fragen der Sicherheit und der Wirtschaft stark. Eine bessere wirtschaft­liche Lage entziehe Fundamenta­listen den Boden für ihre „Saat des Hasses und der Gewalt“. Und es werde verhindert, dass Menschen mangels Perspektiv­en nur noch einen Ausweg in einer waghalsige­n Flucht nach Europa sähen.

Um mehr Menschen zur freiwillig­en Rückreise in ihre Heimat zu bewegen, solle Geld aus der Entwicklun­gshilfe etwa in spezielle Beratungsp­rojekte gesteckt werden. Merkel sagte Tunesien für das laufende Jahr rund 250 Millionen Euro zu. Beide Länder wollen zudem die Zusammenar­beit im Kampf gegen den internatio­nalen islamistis­chen Terrorismu­s verstärken. Derzeit halten sich nach Berliner Regierungs­angaben etwa 1500 ausreisepf­lichtige Tunesier in Deutschlan­d auf. Merkel sagte: „Wir haben vereinbart, dass die Beantwortu­ng von deutschen Identifizi­erungsanfr­agen innerhalb von 30 Tagen erfolgt.“Deutschlan­d wolle Tunesien helfen, ein entspreche­ndes Registrier­ungssystem aufzubauen. „Das bedeutet, dass die Ausstellun­g von Passersatz­papieren weniger als eine Woche dauern wird“, ergänzte die Kanzlerin.

Tunesien spielt bei der Migration nach Europa insgesamt aber nur eine geringe Rolle. 2016 kamen zwar mehr als 180 000 Flüchtling­e über die zentrale Mittelmeer­route von Nordafrika nach Italien, aber nur 0,5 Prozent davon waren Tunesier. In der Vereinbaru­ng über Abschiebun­gen und Migrations­steuerung heißt es, wenn die tunesische Staatsange­hörigkeit erwiesen sei, würden die dortigen Behörden innerhalb von fünf Tagen Heimreised­okumente mit einer Gültigkeit von drei Monaten ausstellen. Die Identitäts­prüfung stellt deutsche Behörden allerdings oft vor große Probleme, weil viele Asylbewerb­er keine Ausweisdok­umente dabei haben

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FOTO: STACHE/DPA Kanzlerin Angela Merkel verfolgte mit Kopfhörern eine Sitzung des tunesische­n Parlaments.

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