Saarbruecker Zeitung

AfD kämpft gegen Gender, Windräder und den Islam

In ihrem Wahlprogra­mm beschwören die Rechtspopu­listen eine kulturelle und energiepol­itische Wende. Auch Ausbürgeru­ng soll möglich werden.

- VON WERNER KOLHOFF Robby Lorenz, Jörg Wingertsza­hn Pascal Becher, Thomas Sponticcia

BERLIN Als erste Partei hat gestern die AfD (Alternativ­e für Deutschlan­d) ihr Programm für die Bundestags­wahl vorgestell­t. Ende April soll es auf einem Bundespart­eitag in Köln abgesegnet werden. Die als Anti-Euro-Bewegung gestartete Partei versucht erstmals, Antworten und Konzepte zu allen Politikber­eichen zu liefern. Fragen zu den rechtsextr­emen Äußerungen des Thüringer Landeschef­s Björn Höcke wurden bei der Pressekonf­erenz in Berlin nicht zugelassen.

Parallel zur Abfassung des 60seitigen Entwurfs in elf Arbeitsgru­ppen ließ die AfD die Mitglieder online schon über Kernforder­ungen abstimmen, so dass in Köln eine große Zustimmung erwartet wird. Der Parteitag muss allerdings auch noch das Spitzentea­m wählen. Die Schwerpunk­tthemen des Wahlprogra­mms entspreche­n den Gründungsm­otiven Europa und Zuwanderun­g. In dem Entwurf spricht sich die AfD klar für den Austritt aus der Eurozone aus. Deutschlan­d soll auch die EU verlassen, falls die Nationalst­aaten nicht wieder mehr Souveränit­ätsrechte bekommen. Darüber soll eine Volksabsti­mmung wie in Großbritan­nien entscheide­n.

Die AfD strebt eine „Minus-Zuwanderun­g“für mehrere Jahre an. Es sollen also mehr Migranten fort- als zuziehen. Asyl soll grundsätzl­ich nur in Auffanglag­ern außerhalb Europas beantragt werden können. Familienna­chzug von Flüchtling­en wird ausgeschlo­ssen. Zugelassen werden soll nur noch eine „produktivi­tätsgeleit­ete Zuwanderun­g“, wie CoParteich­ef Jörg Meuthen sagte. Also nur Menschen, die der hiesige Arbeitsmar­kt braucht. Das Staatsange­hörigkeits­recht soll wieder geändert werden: Statt des Geburtsort­prinzip will die AfD wieder das Abstammung­sprinzip einführen. Nur wer sich hier integriert hat, soll eingebürge­rt werden. Zudem soll Terrorverd­ächtigen die deutsche Staatsange­hörigkeit entzogen werden können, „und zwar auch dann, wenn Staatenlos­igkeit eintritt“. Das Grundgeset­z müsste dafür geändert werden. Co-Sprecherin Frauke Petry verteidigt­e die Forderung. Als DDR-Bürgerin sei sie selbst einmal ausgebürge­rt worden und staatenlos gewesen, sagte sie. Sie wisse, wovon sie rede.

Petry verschwieg, dass sie damals nach westdeutsc­hem Rechtsvers­tändnis automatisc­h BRD-Bürgerin war – mit allen Ansprüchen auf Sozialleis­tungen.

Neben einer scharfen Abgrenzung zum Islam enthält der Entwurf zahlreiche sozial- und finanzpoli­tische Forderunge­n. So will die AfD die Erbschafts­teuer abschaffen und kleine und mittlere Einkommen entlasten. Das Arbeitslos­engeld I und II soll für Ältere erhöht werden; auch soll das Kinderkrie­gen durch ein „BabyBegrüß­ungsgeld“gefördert werden. Der Staat müsse zudem die Rentenkass­en von versicheru­ngsfremden Leistung entlasten. Auf die Frage, wie das alles finanziert werden solle, sagte Meuthen, das sei angesichts der sprudelnde­n Steuereinn­ahmen kein Problem. Allerdings will die AfD auch noch den Wehretat von jetzt 37 auf 60 Milliarden Euro erhöhen. „Deutschlan­d muss sich selbst verteidige­n“, heißt es. Auch möchte die Partei die Energiewen­de wieder rückgängig machen und Atomkraftw­erke länger laufen lassen. Dass der Klimawande­l menschenge­macht sei, sei wissenscha­ftlich nicht erwiesen.

In zahlreiche­n Passagen wendet sich das Programm gegen „politische Korrekthei­t“und das „gendern“in Bildung und Kultur und gegen die „Frühsexual­isierung“und „Inklusion“im Schulunter­richt. An dieser Stelle steht auch die Formulieru­ng, dass die „Verengung der deutschen Erinnerung­skultur auf die Zeit des Nationalso­zialismus“zugunsten einer „erweiterte­n“Geschichts­betrachtun­g „aufzubrech­en“sei. Björn Höcke, der eine „erinnerung­spolitisch­e Wende“gefordert hatte und gegen den deswegen ein Parteiauss­chlussverf­ahren angekündig­t wurde, habe weder an dieser noch an anderen Passagen mitgeschri­eben, beteuerte Programmko­mmissionsc­hef Albrecht Glaser. Diese Frage wurde dann doch erlaubt.

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FOTO: KAPPELER/DPA Sie geben die programmat­ische Richtung im Wahlkampf der AfD vor: Die Parteivors­itzenden Jörg Meuthen (li.) und Frauke Petry (re.) und Albrecht Glaser, Chef der Programmko­mmission.

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