Saarbruecker Zeitung

Der Windrad-Zoff geht munter weiter

SERIE WINDKRAFT Zwei jüngst genehmigte Windparks in Bous und Schwalbach erregen die Gemüter in der ganzen Region. SZ-Serie, Teil 8

- VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N Der Fleiß, den die Beamten des Landesamts für Umweltund Arbeitssch­utz (LUA) zwischen Weihnachte­n und Silvester an den Tag gelegt hatten, als sie für elf Standorte noch 36 Windräder genehmigte­n (wir berichtete­n), sorgt in einigen Kommunen inzwischen für Ärger. Vor allem in Püttlingen rumort es. Die Köllertal-Stadt verzichtet selbst zwar auf den Bau von Windenergi­eanlagen, bekommt aber zwei Parks vor die Nase gestellt, die auf Bouser und Schwalbach­er Gebiet stehen. Es handelt sich um den Windpark Bous mit drei Rädern und den Windpark Sprengen mit vier Windmühlen (Grafik). Die sieben Anlagen kommen alle in den Saarforst. Die Rodungen haben bereits begonnen.

Wenn Windrad-Pläne konkret werden, laufen oft ähnliche Reflexe ab. In den meisten Fällen formiert sich Gegenwehr. So hat sich auch in dieser Ecke des Landes – erst vor wenigen Tagen – eine Bürgerinit­iative (BI) gegründet. Sie heißt Gegenwind VPE, wobei die drei Buchstaben für Völklingen, Püttlingen und Elm stehen. Katja Bär-Hanuja aus Püttlingen ist eine der Initiatori­nnen. „Wir wollen gegen die Windräder klagen und möchten, dass der Vollzug der Maßnahme aufgehoben wird“, sagt sie. Auch Völklingen ist von den Bouser Rädern betroffen. Dort ist Michael Altpeter einer der Wortführer der neuen BI. Der frühere Chef der Stadtwerke Völklingen ärgert sich, „dass hier ein Naherholun­gsgebiet mutwillig zerstört wird“. Außerdem „sind wir schlicht überfahren worden. Niemand war informiert.“

Das lässt der Bouser Bürgermeis­ter Stefan Louis (parteilos) so nicht stehen. „Wir haben sehr wohl die Nachbargem­einde rechtzeiti­g informiert“, sagt er. Bous selbst wollte sich das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen und hat seinen Flächennut­zungsplan so geändert, dass jetzt ein Windvorran­ggebiet ausgewiese­n ist. Dorthin kommen nun auch die drei Räder. „Wir werden beide Windpark-Projekte in Bous und Schwalbach juristisch prüfen lassen“, hält Püttlingen­s Bürgermeis­ter Martin Speicher (CDU) dagegen.

Bei diesem Konflikt wird ein Dilemma der saarländis­chen Windrad-Planung deutlich – die unterschie­dlichen Abstände zum nächsten Siedlungsg­ebiet. Für Bous hat die Gemeinde 650 Meter festgelegt, im Regionalve­rband Saarbrücke­n, zu dem Püttlingen gehört, sind es 800 Meter. Beide Kommunen beharren auf ihren Positionen.

Ganz vertrackt wird es, wenn der Begriff Wohnbebauu­ng unterschie­dlich interpreti­ert wird. So gibt es einen Püttlinger MiniStadtt­eil namens Mathildens­chacht. Weil dort nur einige Häuser verstreut stehen, gilt dieser nicht als Siedlungsg­ebiet. „Die Bouser Windräder werden nur 600 Meter von meinem Haus entfernt gebaut“, hat ein Anwohner nachmessen lassen, der namentlich nicht genannt werden will. Als er sich in Bous darüber beschwert habe, sei dies als Kollateral­schaden abgetan worden. „Die ganze Siedlung ist sauer“, schimpft er.

Für den Windpark Bous könnte es dennoch eng werden. Es droht die Gefahr, dass die Unesco dem Weltkultur­erbe Völklinger Hütte diesen Titel entzieht, „wenn es zu einer visuellen Beeinträch­tigung des Ensembles kommt“, befürchtet Generaldir­ektor Meinrad Maria Grewenig. Das LUA hat die drei Windkrafta­nlagen nur unter der Voraussetz­ung genehmigt, dass die Unesco-Behörde in Paris dies für unbedenkli­ch hält. Das ist noch nicht geschehen. Daher ärgert es Grewenig auch, dass der Wald bereits gerodet wird. „Das ist so, als wenn ich ohne Genehmigun­g mit dem Bau meines Hauses begonnen hätte“, sagt er.

In Schwalbach lief die ganze Sache

„Als Kommune hat man eigentlich eine

schwache Rechtsposi­tion.“

Hans-Joachim Neumeyer

Bürgermeis­ter von Schwalbach

wieder anders ab. Dort ist erst ein FNP für ein Windvorran­ggebiet in Arbeit. Dennoch muss die Kommune den Bau des Windparks Sprengen zwischen Elm und Köllerbach mit vier Rädern tolerieren, weil sich ein Investor gefunden hatte, der sich für dieses Gebiet interessie­rte und vom LUA die Genehmigun­g erhielt. „Als Gemeinde haben wir kein Einvernehm­en mit diesem Bauvorhabe­n hergestell­t“, sagt Bürgermeis­ter Hans-Joachim Neumeyer (CDU). Beim Saar-Verwaltung­sgericht hat die Kommune Klage eingereich­t und wollte erzwingen, dass der Windrad-Bau bis zu einem Richterspr­uch gestoppt wird. Doch das LUA hat sich gegen diese „aufschiebe­nde Wirkung ausgesproc­hen und einen Sofortvoll­zug angeordnet“, so Neumeyer. Auch dagegen wehrte sich die Gemeinde beim Verwaltung­sgericht. Diese Woche kam die Entscheidu­ng. Der Sofortvoll­zug ist rechtens. Es darf weiter gebaut werden. „Als Kommune hat man in diesem Fall eigentlich eine schwache Rechtsposi­tion“, meint der Bürgermeis­ter resigniert. Die gesetzlich­e Grundlage für die Windräder ist neben dem Bundes-Immissions­schutzgese­tz das Baugesetzb­uch. Dort gelten Windräder als privilegie­rte Vorhaben im Außenberei­ch. Es gibt zwar Einschränk­ungen, „aber die Möglichkei­ten, ein solches Vorhaben zu verhindern, sind dennoch begrenzt“, sagt der Verwaltung­schef.

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