Kurz mal fasten, länger leben
Wer 16 Stunden am Tag nichts isst oder alle zwei Tage fastet, nimmt kaum ab, wird aber gesünder.
Diät- und Abspeckprogramme gibt es wie Sand am Meer. Nahezu alle Diäten führen in kurzer Zeit zu einer Gewichtsreduzierung. Das zeigt eine Übersichtsarbeit des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information in Köln. Doch fast nie ist der Erfolg von Dauer. Das niedrigere Gewicht zu halten, gelingt nur den wenigsten. In der Regel fallen die meisten in die alten Essgewohnheiten zurück und nehmen wieder zu.
Intervall-Fasten Doch hilft es, nur zweimal am Tag zu essen oder jeden zweiten Tag zu fasten? IntervallFasten heißen diese Methoden. Professor Dr. Satchidananda Panda vom Salk-Forschungsinstitut in Kalifornien hatte für eine Studie Mäuse rund um die Uhr mit fettreicher Nahrung gefüttert. Wie erwartet wurden die Tiere schnell dick, entwickelten eine Fettleber, Diabetes und Gefäßentzündungen.
Eine zweite Gruppe von
Mäusen bekam die gleiche Kalorienmenge, durfte jeden Tag aber nur über einen Zeitraum von acht Stunden fressen. Die übrigen 16 Stunden war Fasten angesagt. Diese Tiere blieben schlank und viel gesünder. Offensichtlich lässt sich mit Intervall-Fasten das Gewicht leichter halten. Da die Zahl der Mahlzeiten reduziert wird, liegen dazwischen längere Pausen. Die längeren Essenspausen bewegen den Körper dazu, seine Energiereserven zu nutzen: erst das Glykogen (in der Leber und in den Muskeln gespeicherter Zucker), danach die Fettpolster.
Bei anderen Versuchen hat sich gezeigt, dass Mäuse, die ständig fressen können, fast nur Kohlenhydrate (Zucker) zur Energieerzeugung nutzen, aber kein Fett. Müssen die Tiere immer wieder kurze Zeit fasten, verbrennen sie auch Fett.
Beim Intervall-Fasten gibt es mehrere Methoden. Man kann am Tag innerhalb von acht Stunden zweimal essen, den Rest fastet man. Es ist auch denkbar, einen Tag lang normal zu essen, am zweiten Tag zu fasten. Oder man isst fünf Tage lang normal und fastet dann zwei Tage lang. Möglich ist zudem, alle zwei Monate vier Fastentage einzulegen. Man muss dann nicht völlig auf Nahrung verzichten, doch die Kalorienzahl wird deutlich reduziert.
Kaum Gewichtsverlust Zum Abspecken ist Intervall-Fasten aber offenbar nicht geeignet. Professor Dr. Valter Longo von der Universität in Los Angeles hatte eine Intervall-Fasten-Studie mit 19 gesunden Menschen durchgeführt. Sie mussten alle zwei Monate für vier Tage fasten. Am ersten Fastentag wurde die Kalorienzufuhr um 50 Prozent gesenkt, an den folgenden drei Fastentagen um jeweils 90 Prozent. Nach drei Monaten hatten die Teilnehmer im Schnitt nur drei Prozent ihres Körpergewichts verloren.
Einige Jahre zuvor hatte Longo schon einmal eine Studie zum Intervall-Fasten geleitet. Dabei hatte sich gezeigt, dass es kaum ein Mensch durchhält, nur jeden zweiten Tag richtig essen zu dürfen. Und an der Hochschule in Zürich konnte Professor Dr. Markus Stoffel eine Studie nicht zu Ende führen, weil es den Probanden zu schwer fiel, nur zwei- statt dreimal täglich zu essen, berichtete das Schweizer Fernsehen.
Bessere Gesundheit Valter
Longo entdeckte jedoch einen anderen Effekt des Intervall-Fastens: Erhöhte Blutzuckerwerte sinken, das Risiko für Diabetes reduziert sich, im Blut sind weniger Stoffe nachweisbar, die Entzündungen verursachen. Sogar das Immunsystem wird leistungsfähiger. Und verfettete Lebern erholen sich, weil gefährliches Eingeweidefett wegschmilzt. Es schüttet ständig in großen Mengen Stoffe aus, die im Körper Entzündungen bis hin zum Krebs entfachen.
Autophagie Die Erklärung für diesen gesundheitsfördernden Effekt lieferten Satchidananda Pandas Studien mit Mäusen. Bei den Tieren, die 16 Stunden lang keinen Zugang zu Nahrung bekamen, hatten die Körperzellen mehr Zeit, sich selbst zu reinigen und zu regenerieren. Dieser Prozess wird Autophagie genannt: „sich selbst verzehren“. Durch dieses Selbstverdauungsprogramm werden die Zellen auch entgiftet. Es handelt sich um eine Art Müllabfuhr. Die Zellen bleiben dadurch frisch und leistungsfähig. Pandas Versuche zeigten, dass die Müllentsorgung beginnt, wenn der Körper kein Insulin mehr ausschüttet. Das heißt umgekehrt, dass Insulin, das nach jeder Mahlzeit freigesetzt wird, um Zucker in die Zellen zu transportieren, die Autophagie bremst.
Kontrolliertes Fasten „Ausgelöst wird die Autophagie also vor allem durch kontrolliertes Fasten“, erklärt Professor Dr. Frank Madeo vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz. Nahrungsmangel bedeutet für die Zellen Stress. Sie starten dann den Prozess der Autophagie. Derzeit ist noch nicht geklärt, wie viele Stunden man fasten muss, bis die Autophagie richtig in Schwung kommt. Eher scheinen 14 bis 16 Stunden dafür erforderlich zu sein.
An der Universität Wien haben die Professorin Dr. Claudine Kraft und ihr Team gezeigt, dass die Autophagie für den Abbau defekter Zellbestandteile und die Beseitigung von Krankheitserregern sorgt, die die Zelle befallen haben. Außerdem ermöglicht es die Autophagie
der Zelle, einen Nahrungsmangel zu überstehen. Dann werden zelleigene Bestandteile, die nicht gerade dringend benötigt werden, abgebaut und die Bausteine für den Aufbau lebenswichtiger Proteine wiederverwendet.
Spermidin Frank Madeo ist sich mittlerweile sicher: „Gelegentliches Fasten und Kalorienreduktion verlängern das Leben nachweislich.“Als er und sein Team den Mechanismus erforschten, wie Zellen Schad- und Giftstoffe entfernen, stießen sie auf einen Stoff namens Spermidin. „Es kann das Aufräumen der Zellen auslösen“, sagt Madeo.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass nicht nur der Körper das Spermidin selbst herstellt, sondern dass es auch über die Nahrung zugeführt werden kann. „Das heißt, wir können unseren Körper fasten lassen, obwohl wie essen“, erklärt Madeo. Enthalten ist der Stoff zum Beispiel in Käse, in vergorenen Sojabohnen, Erbsen, Nüssen, Weizenkeimen, Zitrusfrüchten und schwarzem, ungesüßtem Kaffee. Spermidin scheint einigen Altersbeschwerden entgegenzuwirken.
Anti-Aging-Effekt Professor Dr. Tobias Eisenberg und seine Mitarbeiter konnten an der Universität Graz in Versuchen mit Mäusen und Ratten zeigen, dass hohe Mengen von Spermidin im Trinkwasser zur Folge hatten, dass altersbedingte Herzwandverdickungen und Versteifungen des Herzmuskels geringer ausfielen. Bei Tieren, die für Herzinfarkt anfällig waren, wurden eine verbesserte Herzfunktion und niedrigere Blutdruckwerte festgestellt.
„Männliche und weibliche Mäuse lebten nach längerer Behandlung mit Spermidin im Schnitt zehn Prozent länger“, schrieben die Forscher. Zuvor hatten die Wissenschaftler die lebensverlängernde Wirkung des Stoffes bereits in einfachen Organismen wie Taufliegen und Fadenwürmern nachgewiesen.
An der Freien Universität Berlin verabreichte Professor Dr. Stephan Sigrist alten Fruchtfliegen Spermidin. Die Substanz löste den Selbstreinigungsprozess der Zellen aus, wodurch die Erinnerungsleistung der älteren FliegenGehirne „wieder auf jugendliches Niveau stieg“, wie der Forscher berichtet. Das Grazer Team untersucht inzwischen, ob ältere Menschen von Spermidin profitieren. Erste Ergebnisse einer Ernährungsstudie mit 800 Teilnehmern, stimmen sie hoffnungsvoll: Senioren die vermehrt spermidinhaltige Lebensmittel essen, leiden im fortgeschrittenen Alter weniger häufig an Herzproblemen. Noch ist unklar, ob tatsächlich das Spermidin diesen Effekt auslöst.
Müllabfuhr der Zellen Dass Spermidin verjüngend wirkt, steht für Frank Madeo außer Frage. In jedem Fall stimuliert der Stoff die Autophagie. Spermidin kommt in allen Körperzellen vor, auch im Darm. Allerdings nimmt der Spermidingehalt des menschlichen Körpers im Alter ab. Der Mangel kann durch die Zufuhr spemidinhaltiger Nahrungsmittel ausgeglichen werden. Madeo und sein Team untersuchen zur Zeit, ob Intervall-Fasten bei Senioren einen alterbedingten schlechteren Zuckerstoffwechsel und eine schleichende Verfettung der inneren Organe und der Muskulatur verzögern oder ganz aufhalten kann. Auch bei jüngeren Menschen bringen solche Lebensmittel die Müllabfuhr in den Zellen auf Trab. Der „Müll“wird in der Zelle immer an einem bestimmten Ort gesammelt und dort in eine Art Müllsack verpackt. Dieser Müllsack wird dann in eine von einer Membran umhüllte Blase befördert, das sogenannte Lysosom, das Verdauungsenzyme enthält. Diese zersetzen den Abfall. Proteinstücke werden beispielsweise in einzelne Aminosäuren zerlegt, die für den Aufbau neuer Proteine verwendet werden.
Was Sport bewirkt Die Professorin Dr. Beth Levine von der Universität Dallas in Texas konnte belegen, dass auch sportliche Betätigung die Autophagie in Schwung bringt. Da die Zellen bei körperlicher Aktivität mehr Energie liefern müssen, tritt relativ schnell ebenfalls ein Nährstoffmangel ein. Dieser stresst die Zellen und löst dadurch den Selbstreinigungsprozess auslöst. Bei Mäusen, die in einem Tretrad trainierten, verbesserten sich die Zuckerwerte und die Fitness. Das war jedoch nicht der Fall, als die Forscher durch Genmanipulation die Autophagie abschalteten.
Eine Mahlzeit weniger Am leichtesten fällt es den meisten Menschen, die die gesundheitlichen Vorteile des Intervall-Fastens nutzen wollen, das Frühstück oder das Abendessen ausfallen zu lassen. Jeden zweiten Tag oder zwei Tage pro Woche zu fasten, ist den meisten schon zu viel abverlangt.
Valter Longo versucht dieses Problem mit einer Kalorienreduktion zu lösen. Statt vollständig auf die Nahrungszufuhr zu verzichten, muss man an den Fastentagen die Kalorienaufnahme auf täglich 600 bis 800, maximal 1100 Kalorien beschränken. Das allerdings ist eine längst bekannte Methode beim Kampf gegen Adipositas und Übergewicht. Longo erklärt, wer mindestens fünf Tage in der Woche deutlich weniger Kalorien aufnehme, habe die gleichen positiven Effekte auf die Gesundheit wie beim Vollfasten.
„Egal, welche Form des Intervall-Fastens man ausprobiert, es ist wichtig, genug zu trinken“, sagt die Diabetes-Forscherin Professor Dr. Annette Schürmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. „Das braucht der Stoffwechsel, um Glykogen und Fett abbauen und das Gehirn versorgen zu können.“