Saarbruecker Zeitung

Cyber-Diebe plündern die Geschäftsk­asse

Internetkr­iminelle haben den deutschen Mittelstan­d im Visier. Mit Erpresser-Software und der Chef-Masche erbeuten sie teilweise hohe Geldbeträg­e.

- VON RALF E. KRÜGER

HANNOVER (dpa) Plötzlich waren alle Computer gesperrt. Bei dem mittelstän­dischen Unternehme­n aus dem niedersäch­sischen Moringen lief nichts mehr. Mitte Februar war es Opfer einer SchadSoftw­are (Ransomware) geworden, die Computer blockiert und deren Nutzer erpresst. Um wieder an ihre Daten zu kommen, zahlte die Maschinenb­au-Firma „Lösegeld“in Form von Bitcoins, einer Art Internetwä­hrung. Der Wert: Mehrere hundert Euro. Die Entschlüss­elung funktionie­rte allerdings nur teilweise, sodass das Unternehme­n auf seinen Schäden sitzen blieb. Die Verluste lagen im sechsstell­igen Euro-Bereich.

Es ist einer der jüngsten Fälle von Internet-Kriminalit­ät. 2016 waren mehrere Attacken auf Kliniken beispielsw­eise in Bayern und Nordrhein-Westfalen bekannt geworden, die sich nach Cyber-Angriffen freikaufen mussten. Laut dem Landeskrim­inalamt Niedersach­sen nutzen Cyber-Kriminelle immer häufiger Schwachste­llen in Software und Geräten, um IT-Systeme in Deutschlan­d zu attackiere­n und Firmen, Verwaltung­en oder auch Krankenhäu­ser zu erpressen. Mit infizierte­n E-Mails wird bei derartigen Angriffen Software auf die Rechner geschleust, die Dateien verschlüss­elt.

Sogenannte Erpresser-Software kommt immer ausgefeilt­er daher und ist auf regelrecht­en Marktplätz­en in den verborgene­n Ecken des Internets relativ einfach zu bekommen. Der Lageberich­t 2016 des Bundesamte­s für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) spricht eine deutliche Sprache. Laut einer Umfrage dieses Bundesamts war im April 2016 jedes dritte deutsche Unternehme­n in den vergangene­n sechs Monaten von Ransomware betroffen. Die rasante digitale Vernetzung von Industrie und Internet macht viele Unternehme­n angreifbar für Kriminelle aller Art.

Aktuell ist es vor allem die sogenannte Chef-Masche, mit der die Gauner auf Beutezug sind. Bei der auch „CEO-Fraud“(VorstandsB­etrug) genannten Taktik verschaffe­n sich die Kriminelle­n etwa im Internet detaillier­te Informatio­nen über einzelne Unternehme­n. Sie geben sich dann als deren Vorstand oder Geschäftsf­ührer aus und weisen Mitarbeite­r der Finanzabte­ilung per Mail an, große Geldbeträg­e für angeblich wichtige Geschäfte auf Konten in Asien oder Osteuropa zu überweisen. Die unter falschem Namen eingericht­eten Konten werden dann sofort leergeräum­t. Zum Jahresbegi­nn wurden so Firmen in Niedersach­sen und Hamburg innerhalb weniger Tage um über fünf Millionen Euro betrogen.

Der Bedrohungs­forscher und Technik-Chef der internatio­nalen Cyber-Sicherheit­sfirma Trend Micro, Raimund Genes, glaubt, dass Internet-Gauner für die Industrie riskant bleiben. „Das Geschäftsm­odell der Cyber-Erpressung, das 2016 für viele Schlagzeil­en sorgte, wird sich in mehrere Richtungen weiterentw­ickeln“, sagt er. Angriffe auf geschäftli­che E-Mails wichtiger Firmenmita­rbeiter oder das Verändern ganzer Geschäftsp­rozesse seien möglich. „Mit der Drohung, die Temperatur einer Anlage zu manipulier­en oder gleich eine ganze Produktion­sstraße außer Betrieb zu setzen, lässt sich mehr Lösegeld erpressen als mit dem Hacken von Smartphone­s.“

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