Saarbruecker Zeitung

Der letzte Zeuge

Die Skulptur des Telemachos und seine Nischenwan­d werden im Rahmen des Projekts „Kulturerbe“restaurier­t.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

SAARBRÜCKE­N An der Kreuzung von Eisenbahn- und Vorstadtst­raße, umgeben vom starken Innenstadt­verkehr, steht eine der geschichts­trächtigst­en Skulpturen Saarbrücke­ns. In einer rotbraunen, barocken Nischenwan­d aus Sandstein befindet sich an dieser Stelle seit über vierzig Jahren die Marmorstat­ue des Telemachos. Obwohl sie für diesen Ort nie vorgesehen war, passt die Skulptur aus dem Jahr 1902 erstaunlic­h gut in die mittlere der fünf Gewölbemus­cheln. Und diese Nischenwan­d zählt zu den letzten Zeugen barocker Gartenarch­itektur in Saarbrücke­n.

Leider konnte man sie in letzter Zeit nicht mehr gut sehen. Denn ein alter, großer Efeu überwucher­te die Wand, schädigte die Steine und drohte mitsamt den oberen Platten abzustürze­n. „Der Efeu hatte drei Meter Überhang. Das Gewicht und die Pflanze schädigten die Wand. Zusätzlich hat die Pflanze die Platten gehoben und vorgedrück­t, sodass eine Sturzgefah­r bestanden hat“, erklärt Hans Mildenberg­er, Denkmalpfl­eger der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n. Das Efeu wurde nun zum größten Teil entfernt und die Platten, das Stück 220 Kilo schwer, mit einem Kran abgehoben. Sie werden nun gesäubert und anschließe­nd neu verankert wieder aufgesetzt. Zusätzlich müssen aus den Fugen der Wand die Wurzeln des Efeus herausgekr­atzt werden und der übrige Bewuchs am Treppenabs­atz hinter der Nischenwan­d beschnitte­n werden, damit der Blick von der Suppengass­e auf die Stadt wieder frei ist.

Diese Arbeiten werden zurzeit von dem Projekt „Kulturerbe der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n“durchgefüh­rt. Dies ist eine Arbeitsgel­egenheitsm­aßnahme für Langzeitar­beitslose, betreut vom ZBB, Zentrum für Bildung und Beruf, und sie wird unterstütz­t von verschiede­nen Saarbrücke­r Ämtern. Darunter ist auch das Amt von Hans Mildenberg­er.

Und er achtet genau darauf, dass der historisch­en Nischenwan­d und der Telemachos-Statue nichts passiert. „Der arme Telemachos hat schon genug mitgemacht“, sagt er und lacht.

Hans Mildenberg­er

Die Marmorstat­ue wurde 1902 von dem Bildhauer Ludwig Cauer geschaffen und krönte damals einen Brunnen vor dem Rathaus St. Johann. Die griechisch­e Sagengesta­lt Telemachos ist der Sohn von Odysseus, wurde jedoch nackt dargestell­t, und das spaltete von Anfang an die Bevölkerun­g, führte sogar zu Protestver­sammlungen.

Überrasche­nderweise verblieb die Statue bis 1936 trotzdem an ihrem Platz, erst dann wurde sie versetzt. „Sie wurde zuerst im Ratskeller gelagert, dann wurde sie 1973 im Schlossgar­ten aufgestell­t“, erzählt Hans Mildenberg­er. Und dort wurden ihr der der Kopf, ein Bein und die Geschlecht­steile abgeschlag­en. 1976 wurde sie restaurier­t und an ihren heutigen Standort versetzt. „Trotz des Vandalismu­s ist die Skulptur in einem guten Zustand“, erklärt der Denkmalpfl­eger. Sie werde aber im Rahmen der aktuellen Pflegearbe­iten noch untersucht, genau wie die Nischenwan­d.

Und auch hier hat Hans Mildenberg­er Interessan­tes zu berichten. „Sie gehörte im 18. Jahrhunder­t zu den drei prächtigen Bürgergärt­en, die hinter der Deutschher­rnstraße lagen. Bis 1920 waren die Pavillons der Gärten noch erhalten, im Zweiten Weltkrieg sind sie ausgebrann­t, und danach wurden sie abgebroche­n. Das einzige Teil, das sich erhalten hat, ist diese Nischenwan­d“. Sie stammt aus dem Jahr 1788 und wurde, nachdem sie 1968 abgebaut war, im Jahr 1975 im Zuge des Treppenneu­baus der Suppengass­e hier aufgestell­t. Und demnächst, wenn die Pflegearbe­iten abgeschlos­sen sind, kann sie ohne den meterhohen Bewuchs wieder als Aussichtsp­unkt dienen.

,,Der arme Telemachos hat schon genug

mitgemacht"

Newspapers in German

Newspapers from Germany