Saarbruecker Zeitung

Zwischen Dreckschle­uder und Kultkarre

Vom Opel Manta B bis zum DDR-Sportwagen Melkus: Eine Ausstellun­g rund ums Auto in Bonn greift tief in die Klischee-Kiste.

- VON JONAS-ERIK SCHMIDT

BONN (dpa) Als 1991 die Proll-Komödie „Manta, Manta“in den deutschen Kinos anlief, hätte man sich das wohl nicht ausmalen können. Die namensgebe­nde Kultkarre als Studienobj­ekt für Historiker? Als Ausstellun­gsstück in einem ehrbaren Museum? Nie im Leben. Wer das Haus der Geschichte in Bonn besucht, kann nun aber genau das beobachten. Der Opel Manta B, wie er mit vollem Namen heißt, steht da in all seiner knallbunte­n Pracht. „Er erzählt viele Geschichte­n: über den Fahrer, über die Klischees, die ganzen Manta-Witze. Der Mann ist ein Proll, die Frau ist eine Friseurin. Es ist eine volle KlischeeKi­ste“, erklärt Steffen Liebscher, der den Ausstellun­gsraum betreut hat.

Dass es das Original-Filmauto bis in ein Museum geschafft hat, liegt am Thema der neuen Ausstellun­g „Geliebt. Gebraucht. Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos“im Haus der Geschichte. Mit rund 800 Exponaten versucht das Museum, einer wechselvol­len Liebesgesc­hichte auf die Spur zu kommen. Vom Symbol der Freiheit bis zum Ausdruck der eigenen Subkultur, vom Kennzeiche­n der Macht bis zur Geißelung als Umweltsünd­e. „Für die einen ist es das liebste Kind, für die anderen ist es schlicht und ergreifend ein Gebrauchsg­egenstand“, sagt Präsident Hans Walter Hütter. Ja, und für wieder andere sei es Symbol für Verschwend­ung und Stau. In jedem Fall löse es Emotionen aus.

Viele Zeitdokume­nte zeigen, dass das Auto in Deutschlan­d in der Tat kaum jemanden kalt lässt. Die Beziehung gleicht mitunter der zur Fußballnat­ionalmanns­chaft. „Sind die Japaner besser?“, fragt etwa die „Auto Motor und Sport“1980 besorgt und alarmiert fünf Jahre später: „Gefahr aus Japan“. Die Bundesregi­erung wählt natürlich stets hochwertig­e Wagen heimischer Autobauer. Zu sehen ist etwa ein Mercedes-Benz 600 Pullman. Man bekommt bei all dem einen Eindruck, warum die VW-Abgasaffär­e vielleicht mehr ist, als ein Wirtschaft­sskandal und auch eine emotionale Seite hat.

Die DDR-Geschichte wird nicht ausgelasse­n. Zu sehen ist etwa, wie aufwendig ein Range Rover in Westberlin umgebaut wurde, um dem passionier­ten Jäger Erich Honecker Dienste zu tun. Luxuriöse Fahrzeuge entsprache­n eigentlich ja nicht dem sozialisti­schen Selbstbild – auch deshalb verlor die SED-Elite an Glaubwürdi­gkeit. Ausgestell­t ist zudem ein seltener Melkus RS 1000. Von dem DDRSportwa­gen wurden bis 1979 nur 101 Fahrzeuge gebaut: 70 PS, 30 000 DDR-Mark Kaufpreis. Und man brauchte eine Rennlizenz.

Themen wie Verkehrsto­te und Umweltvers­chmutzung werden ebenfalls abgebildet. Auch ganz aktuell: das Mordurteil für zwei Raser in Berlin hat ebenfalls Eingang gefunden. Im Kontrast dazu stehen die oft bunten Kult-Gegenständ­en rund ums Auto, die die Schau gesammelt hat: PlüschWürf­el am Rückspiege­l, „Baby fährt mit“-Aufkleber am Heck, ein Wackeldack­el auf der Hutablage oder ein Lenkradsch­oner. Bei jedem Stück hat man unweigerli­ch einen bestimmten Autofahrer-Typus vor Augen. Das Auto ist eben eine Klischee-Kiste.

Als Kronzeuge für die Gefühlsebe­ne, die zum Autofahren gehört, steht dabei ein prominente­r Moderator. In einer Vitrine ist eine Reprodukti­on des Führersche­ins von Günther Jauch zu sehen – das Format wird im Volksmund Lappen genannt. Dazu hört man Jauch sprechen. „Ich glaube, wenn ich keinen Führersche­in mehr hätte, würde mir etwas fehlen“, sagt er. Es sei dieses Gefühl, selbst zu jeder Zeit dorthin zu kommen, wo man hin möchte. Ein paar Sätze danach sagt er aber auch: „Gleichzeit­ig muss ich zugeben, dass ich doch jetzt in einem Alter bin, wo ich es zuweilen genieße, gefahren zu werden.“

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FOTOS: EPD/IMAGO/AFP Ein eher seltenes Exemplar ist der Melkus RS 1000. Lediglich 101 Fahrzeuge wurden bis 1979 von dem DDR-Sportwagen gebaut. Für den 70 PS starken „Flitzer“brauchte man eine Rennlizenz.
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Hunderte Witze ranken den Opel Manta, den Proll und die Frisöse. Jetzt hat es das Original-Auto des Films „Manta, Manta“bis ins Museum geschafft.

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