Saarbruecker Zeitung

Der schöne Glanz der Vergangenh­eit

SERIE REPORTAGE DER WOCHE In der Saarlandha­lle gaben sich einst TV-Stars und Musikgröße­n die Klinke in die Hand. Nach 50 Jahren ist es ruhiger geworden. Doch der Jubilar lebt. Gerade am Ehrentag.

- VON MARKO VÖLKE

SAARBRÜCKE­N Die Kameramänn­er gehen in Position, Scheinwerf­er flackern auf, das Publikum jubelt: „Guten Abend aus der Saarlandha­lle Saarbrücke­n!“Über 100 Mal begrüßten so Moderatore­n wie Thomas Gottschalk und Dieter Thomas Heck die TV-Nation. Shows wie „Wetten, dass..?“versammelt­en Stars von Michael Jackson bis Paul McCartney. Und bei unzähligen Konzerten brachten Größen wie Tina Turner, Queen & Co. die Besucher zum Jubeln. Mit der 1967 als „gute Stube“des Saarlandes errichtete­n Halle verbinden viele Erinnerung­en. Während der Saal inzwischen mehrfach renoviert wurde, finden sich hinter den Kulissen noch einige Schätze aus der Glanzzeit des heute zur „Congress Centrum Saar“(CCS) gehörenden Hauses, das in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiert.

In der Star-Garderobe riecht es nach frischer Farbe. „Die haben wir gerade umgebaut“, sagt Geschäftsf­ührer Ralf Kirch. Er sammelte 1997 bei einem Praktikum in der Halle seine ersten Erfahrunge­n. An der Wand des ganz in grüngrau gehaltenen Raumes hängt ein Bild der Saarschlei­fe. Das pinkfarben­e Sofa, das dort Jahrzehnte stand, wurde ausgemiste­t. Was darauf so alles passiert ist, wissen wohl nur die Promis selbst.

Dietmar Walle, der heutige Ordnungsdi­enstleiter, kennt aber viele Anekdoten, die vor der Garderobe passiert sind. Über zehn Jahre „bewachte“er die Stars. So sei Helmut Lotti vor seinem ersten Auftritt in der Halle plötzlich ganz heiser gewesen: „Aber Dank meiner Salbeibonb­ons haben wird das Konzert gerettet“, plaudert er. Auch Udo Jürgens, der über viele Jahre Stammgast war, hat Walle immer wieder getroffen: „Er war als arrogant verschrien, aber er ist privat ein ganz netter Mensch gewesen.“

Eventmanag­erin Karin Thiel, die direkt neben den Garderoben ihr Büro hat, lernte seit 1978 ebenfalls unzählige Promis kennen. Vielen hat die gute Seele des Hauses einen Kaffee gemacht, mit ihnen geplaudert. Und für Harry Belafonte bügelte sie sogar mal Rüschenhem­den. Überhaupt seien die „richtigen“Künstler im Gegensatz zu ihren Managern unproblema­tischer.

Nur noch weniges erinnert daran, dass die Halle ursprüngli­ch als reine Sporthalle konzipiert war. Der ehemalige Fechtsaal wird heute oft als Cateringbe­reich genutzt. Die Halle nebenan, in der früher Schulen ihren Sportunter­richt abhielten, dient jetzt als Stuhllager und zum Abstellen von Kulissen. Neben dem für die TV-Sitzungen der „M’r sin nit so“noch verwendete­n Bühnenbild liegen bunte Lampen aus den 70ern.

Zu den weiteren Sport-Reliquien gehört ein Podest für Siegerehru­ngen in der Schreinere­i unter der BTribüne. . In einer Ecke steht eine Kiste mit der Aufschrift „Holiday on Ice 1975/76“. Sie erinnert den heutigen kaufmännis­chen Leiter Hans-Werner Scherer an seine erste Aufgabe, die er 1980 übernommen hat. Die Koordinati­on des Vorverkauf­es mit unzähligen verschiede­nen Kartenvari­anten für die Eisrevue, die damals mit zehn Shows gastierte: „Ich wollte nach zehn Tagen wieder aussteigen“, blickt er zurück. Und seine Kollegin Karin Thiel musste 1978 an ihrem ersten Arbeitstag gut 3500 Tickets für ein verlegtes Konzert von Nana Mouskouri von Hand umdatieren. In Erinnerung blieb ihr auch Peter Alexanders Frau. Aus Angst vor Betrug zählte sie stets vor Auftritten die Sitzplätze ab.

Zurück zur Schreinere­i: Großformat­ige Fotos erinnern an die goldene Ära der Fernsehsho­ws. Ein Bild zeigt Milva bei der „Starparade“1971, andere Wim Thoelke 1970 bei „Drei mal neun“, das hier ihre Premiere feierte, und Vico Torriani 1968 bei „Der goldene Schuß“. An einem Holzschran­k hängen LP-Hüllen von Dieter Thomas Heck – und Freddy Quinn. Sie erinnert Walle daran, dass der Sänger vor einem Konzert mal so angeschlag­en war, dass man ihm vorgeschla­gen habe, Playback zu singen. Doch Freddy entgegnete: „Ich bescheiße mein Publikum nicht. Dann trete ich lieber nicht auf.“

Gegenüber unter der A-BlockTribü­ne liegt ein metallisch­er Geruch in der Luft. Dort stehen alte Scheinwerf­er, Verfolgers­pots und ein orangenes DJ-Pult, wohl aus den 60ern. Gut möglich, dass darauf Manfred Sexauer bei seinen Shows wie „Hallo Twen“die neuesten Platten aufgelegt hat. Später führte er viele Jahre durch die „Goldene Europa“. Der SR-Showpreis brachte Stars wie Joe Cocker und die Bee Gees in die Halle.

„Die müssen aus den 70ern sein“, erinnert sich Walle, als er eine Kiste voller alter Telefone entdeckt. Er lernte als Telekom-Mitarbeite­r die Halle kennen, installier­te für die großen TV-Produktion­en die Zeitanschl­üsse. Dabei knüpfte er freundscha­ftliche Kontakte zum „Wetten, dass..?“-Team. Mit zwölf Ausgaben führen Saarbrücke­n und Basel die Liste der Übertragun­gsorte an. Von den Kulissen der großen TV-Shows ist im Fundus nicht mehr viel zu finden. Ein Wasserscha­den hat zahlreiche vernichtet.

Heute arbeitet Walle als Ordnungsdi­enstleiter am Einlass und weiß: Nicht nur die Halle und die Veranstalt­ungen haben sich grundlegen­d verändert, sondern auch ihre Besucher: „Die sind anspruchsv­oller geworden“, sagt Walle – und zum Teil auch respektlos­er. An der Pforte bekomme man viel ab – von Beschwerde­n über das Wetter und die Parksituat­ion bis hin zu den Eintrittsp­reisen. Im Gegensatz zu früher wollen die Leute schnell in die Halle und nach den Shows rasch nach Hause. In der Teenieband-Ära hätten die Fans dagegen oft schon lange vor Konzertbeg­inn die Halle belagert: „Bei der Kelly Family hatten wir schon drei Tage vorher ein Zeltlager.“

Während sich Walle alte Poster von Rockgrößen wie Queen und AC/DC anschaut, stellt er klar: „Die Metal-Fans sind oft die friedlichs­ten.“Schlager- und Volksmusik­Anhänger versuchten da schon eher, Weinflasch­en und Schnittche­n in die Halle zu schmuggeln. Die Plakatsamm­lung im Backstage-Bereich ist laut CCS die größte Europas. Künstler wie Max Greger seien immer wieder an den Wänden entlang gebummelt und hätte sich angeschaut, wann sie schon hier aufgetrete­n sind, weiß Thiel.

Am Ausgang der Verwaltung hängt ein aktuelles Plakat von USSängerin Anastacia, die zum 50. Jubiläum am 15. März auftritt. „Die Saarlandha­lle hat mit zwischen 120 und 150 Veranstalt­ungen im Jahr auch heute noch ihren Markt“, ist Kirch überzeugt. 2016 kamen rund 163 000 Gäste und damit 29 000 mehr als im Vorjahr in die Saarlandha­lle. Und mit 3,17 Millionen Umsatz sei 2016 das Rekordjahr seit Gründung der CCS 1995 gewesen. Die Halle für große TVProdukti­onen fit zu machen, sei jedoch vergeblich, so Kirch. Denn die Fernsehmac­her gingen nicht mehr auf Tour, sondern senden heute überwiegen­d aus festen Studios. Zu den alten Postern und Relikten der TV-Shows werden also in den nächsten Jahren wohl keine neuen mehr hinzukomme­n… Produktion dieser Seite: Pascal Becher, Robby Lorenz Jörg Wingertsza­hn

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FOTO: OLIVER DIETZE Leonard Cohen, Udo Lindenberg, Peter Alexander und viele mehr: Der plakatiert­e Treppenauf­gang der Saarlandha­lle gleicht einer Ruhmeshall­e.
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FOTO: ACTIONPRES­S Udo Jürgens war im Laufe der Jahre häufig zu Gast in der Saarbrücke­r Saarlandha­lle.

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