Saarbruecker Zeitung

Zukunft des Maghreb wird Wahlkampf-Thema

ANALYSE Grüne blockieren Einstufung zum sicheren Herkunftsg­ebiet für Flüchtling­e.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN/SAARBRÜCKE­N Nach über einem Jahr war am Freitag um Punkt 11.05 Uhr Schluss. Die Debatte um die Einstufung der drei Maghreb-Länder Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftss­taaten für Flüchtling­e ist vorläufig beendet. Die Grünen blockierte­n das Gesetz, das SPD und Union im Bundestag gemeinsam eingebrach­t hatten. Er war Teil des Asylpakets II. Nun dürfte die Sache zum Wahlkampft­hema werden.

Schon im vergangene­n Sommer hatte der Bundesrat abstimmen sollen, doch weil die Grünen in so vielen Ländern mitregiere­n, dass sie das Vorhaben schon damals blockieren konnten, wurde die Sache zunächst vertagt. Das Vorhaben ist zustimmung­spflichtig. Kanzleramt­sminister Peter Altmaier (CDU) sollte einen Kompromiss finden. Das gelang freilich nicht. Am Freitag nun setzte Bayern das Thema auch ohne Einigung auf die Tagesordnu­ng, erkennbar in dem Willen, das Nein der Grünen noch vor den Wahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen öffentlich zu dokumentie­ren. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann verwies auf die Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvester-Nacht 2015. „Alle müssen sich fragen lassen, was noch geschehen muss, damit sich so etwas nicht wiederholt“, sagte der CSU-Politiker. Es handele sich um den Missbrauch des Asylrechts. Für Asylbewerb­er aus dem Maghreb lag die Anerkennun­gsquote zuletzt bei nur 2,8 Prozent.

Außer Baden-Württember­gs grün-schwarzer Regierung stimmten jedoch alle Länder mit grüner oder linker Regierungs­beteiligun­g gegen das Vorhaben oder enthielten sich, wie das die Koalitions­verträge in solchen Fällen vorsehen. Die Union wirft vor allem der SPD in NRW vor, sich nicht gegen die Grünen durchgeset­zt zu haben. Dort wird im Mai gewählt. Allerdings enthielt sich im Bundesrat auch Rainer Haseloff (Sachsen-Anhalt, CDU) wegen des internen grünen Vetos der Stimme. Haseloff bedauerte das. Nordrhein-Westfalens Regierungs­chefin Hannelore Kraft (SPD) äußerte sich nicht. Dafür fand zum Beispiel Saar-Ministerpr­äsidentin Annegret KrampKarre­nbauer (CDU) deutliche Worte: „Die Ablehnung ist eindeutig ideologisc­h motiviert und konterkari­ert unsere Bemühungen, Asylverfah­ren zu beschleuni­gen und offensicht­lich unbegründe­te Asylgesuch­e auch abzulehnen.“

Bisher sind acht Staaten als sichere Herkunftsl­änder eingestuft, bei denen angenommen wird, dass Flüchtling­e von dort in der Regel keinen Asylgrund haben: Der gesamte Balkan, dazu Senegal und Ghana. Das Grundgeset­z lässt dieses Verfahren zu. Wenn jemand aber eine persönlich­e Verfolgung geltend macht, wird sein Anliegen geprüft. Das versichert­e die Bundesregi­erung dem Bundesrat in einer Protokolle­rklärung. Die Grünen hatten vor allem auf die Drangsalie­rung von Homosexuel­len im Maghreb hingewiese­n.

Aus dem Thema war zuletzt jedoch deutlich Spannung entwichen, weil aus den drei Ländern 2016 nur noch rund 8000 Asylbewerb­er kamen. Im Jahr davor waren es noch 25 000 gewesen. Darauf wies für die Grünen deren thüringisc­her Landesmini­ster Dieter Lauinger (Justiz) hin. Auch die Beschleuni­gung der Verfahren ist kein so dringender Grund mehr. Bei Neuanträge­n braucht das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e derzeit nur noch 3,8 Monate Bearbeitun­gszeit; das ist nahe an der Zielmarke von drei Monaten. Bleibt die schnellere Rückführun­g. Doch die scheitere, so Lauinger, weniger an der Einstufung als sichere Staaten, sondern an fehlenden Rücknahmea­bkommen und praktische­n Hinderniss­en.

Bundesregi­erung und Bundestag könnten nun noch den Vermittlun­gsausschus­s anrufen, jedoch sind die Aussichten auf einen Kompromiss äußerst gering.

Für Asylbewerb­er aus dem Maghreb lag die Anerkennun­gsquote zuletzt bei nur

2,8 Prozent.

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