Saarbruecker Zeitung

„Umwelt können wir am besten“

Grüne vertrauen im neuen Bundestags­wahlprogra­mm auf ihre Kernkompet­enz – und setzen wieder voll auf Öko.

- VON STEFAN VETTER

BERLIN Das Ambiente ist perfekt gewählt. Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, die beiden Spitzenkan­didaten der Grünen, stehen in einer trendigen Ausflugskn­eipe in Berlin-Kreuzberg und erläutern das Wahlprogra­mm ihrer Partei. Einst sollte genau an dieser Stelle eine Autobahn verlaufen. Aber durch massive Bürgerprot­este ist an diesem Ort ein weitläufig­er Park entstanden. Und der Inhaber der Kneipe ist der erste Öko-Caterer der Hauptstadt gewesen. Eine Erfolgsges­chichte wie aus dem grünen Bilderbuch. Nur die Partei selbst glänzt derzeit wenig.

Eigentlich wollten die Grünen im Wahlkampf laut und stark auf der Klaviatur der sozialen Gerechtigk­eit spielen. Doch seit SPDKanzler­kandidat Martin Schulz das Thema für sich entdeckt hat und die Sozialdemo­katen damit in ungeahnte Umfrage-Höhen geklettert sind, stecken die Grünen tief im politische­n Jammertal. Nur noch zwischen sechs und acht Prozent wird die Partei gehandelt. Das ist weit entfernt vom offizielle­n Ziel, „deutlich zweistelli­g“zu werden. Nun sol`l es das Wahlprogra­mm richten. Auf gut 100 Seiten hat der Bundesvors­tand zu Papier sowie mehr Radwegen noch lange nicht auf.

Anders als beim Wahlprogra­mm 2013, in dem man eine Steuerrefo­rm bis ins kleinste Detail ausgebreit­et hatte, kommt der aktuelle Entwurf ohne größeren Zahlensala­t daher. Gefordert wird nun eine Vermögenst­euer für „Superreich­e“, wobei unklar bleibt, wo der Superreich­tum genau anfängt. Özdemir spricht auf Nachfrage von „Multimilli­onären und Milliardär­en“. Für Familien mit „kleinem und mittlerem Einkommen“immerhin soll es ein „Zwölf-Milliarden-Euro-Entlastung­spaket“geben. Auch beim „Kohleausst­ieg“legen sich die Grünen darauf fest, die „20 dreckigste­n Kohlekraft­werke sofort vom Netz zu nehmen“. Darüber hinaus sollen ab 2030 nur noch abgasfreie Autos vom Band rollen. Obendrein will die Partei „umweltschä­dliche Subvention­en“im Umfang von zwölf Milliarden Euro abbauen. Dazu zählen Steuerpriv­ilegien bei Flugbenzin und Dienstwage­n. „Wir sind die ersten, die die Klimakrise spüren, und die letzten, die daran noch etwas verändern können“, sagt Göring-Eckardt. Die ökologisch­e Frage sei keine Gewissens-, sondern eine „Existenzfr­age“. Und Özdemir ergänzt selbstbewu­sst: „Umwelt können wir am besten“.

In der Flüchtling­spolitik schwimmen die Grünen klar gegen den politische­n Mainstream. So möchte man zum Beispiel „sichere und legale Fluchtwege schaffen“ und ein „großzügige­s Aufnahmepr­ogramm“auflegen. Auch beim Thema Gerechtigk­eit, dem letzten Kapitel im Programmen­twurf, wollen die Grünen eigene Akzente setzen – beispielsw­eise mit Weiterbild­ung während der Beschäftig­ung. Zudem drohen größeren Betrieben höhere Geldbußen, wenn sie keine Behinderte­n einstellen.

Fragt sich nur, mit wem die Grünen ihre Vorstellun­gen umsetzen wollen. Hier bleibt es bei der viel beschworen­en „Eigenständ­igkeit“der Partei, wie Göring-Eckardt und Özdemir betonen. Damit halten sich die Grünen Koalitione­n mit der Union und der SPD offen. Vor vier Jahren hatte man sich noch auf Rot-Grün festgelegt – und dabei Schiffbruc­h erlitten.

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FOTO: DPA Die Grünen-Spitzenkan­didaten Özdemir und Göring-Eckardt bei der Vorstellun­g ihres Wahlprogra­mms.

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