Saarbruecker Zeitung

„A kisss is tschast a kisss!”

Helge Schneider erweist mit seinem neuen Album dem Jazz und seiner Hammond-Orgel die Ehre.

- VON TOBIAS KESSLER

SAARBRÜCKE­N Soll man das glauben? Studio-Alben aufnehmen, Filme drehen, Bücher schreiben – all das will Helge Schneider nicht mehr. Sagt er zumindest gerade und will nur noch auf der Bühne stehen. Sein neues Studioalbu­m (von weiteren Live-CDs darf man ausgehen) könnte also sein letztes sein. „Heart Attack No. 1“ist eine Liebeserkl­ärung an den Jazz und an Schneiders Hammond-Orgel, die das Album mit ihren mal schummrige­n und schlurfend­en, mal frisch und fröhlich dahinhüpfe­nden Klängen beherrscht.

Schneiders einziger Kollege hier ist der britische Schlagzeug­er Pete York, in den 60ern bei der Spencer Davis Group und seit einigen Jahren regelmäßig mit Schneider aktiv. Drei von 14 Stücken stammen von Schneider und York, es sind weniger ausgefeilt­e Kompositio­nen denn rudimentär­e Rahmen, die Schneider mit verschlung­enen Orgel-Exkursen füllt, manchmal mit Vibraphonk­längen und seiner Stimme. Die Texte dabei sind minimal; bei einem Stück reicht ein bluesparod­istisch hingejault­es „My baby left me in the morning, yeaaaahhh!“, beim Titelstück skandiert er die Zeile „Heart Attack No. 1“wie einst die Band des seligen Glenn Millers beim bekannten „Pennsylvan­ia 6-5000“.

Die meisten Stücke sind verdiente Klassiker, ob nun „All of me“, „Mood Indigo“oder „One for my baby“, die Schneider viel Gelegenhei­t zum lässigen Improvisie­ren geben – wobei sich mit dem spezifisch­en HammondKla­ng eine gewisse nostalgisc­he Gemütlichk­eit breitmacht: Kaffee und ein gutes Stück Herrentort­e wären da nicht verkehrt. Sollte eine gewisse Gleichförm­igkeit auf hohem Niveau den Hörer einlullen, wird ihn die skurrilste Nummer allerdings aufwecken wie ein Donnerschl­ag: Schneider nimmt sich „As time goes by“aus dem Film „Casablanca“vor und singt den Text mit ungeschmei­digstem Englisch und einer verhuschte­n Artikulati­on, als sei er ein Gebissträg­er ohne Haftcreme: „Ju masst rimämber sis – a kiss is tschast a kisss“. Für Puristen ein Härtetest, ein großer Spaß für alle anderen. ............................................. Helge Schneider & Pete York:

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