Saarbruecker Zeitung

Vive le Stammtisch

In Saarbrücke­n treffen sich regelmäßig Leute, die sich gern auf Deutsch oder Französisc­h unterhalte­n wollen

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N Stammtisch? „Auf Französisc­h gibt es das Wort gar nicht“, sagt Louise Monnier. Trotzdem hat sie zusammen mit der Jungen Botschafte­rin aus Nantes Iseult Clauzier einen gegründet: für Leute, die sicher gern auf Französisc­h oder Deutsch unterhalte­n, ihre Sprachkenn­tnisse auffrische­n möchten und gern neue Leute kennenlern­en. Louise, die als Freiwillig­e am Frankreich­zentrum arbeitet, grübelt. „In Frankreich sagt man café des langues oder auch soirée linguistiq­ue“, fällt ihr ein. Hört sich irgendwie zu steif an für diese lockere Runde, die sich alle vierzehn Tage in einer Saarbrücke­r Kneipe trifft. Gern auch bei einem Glas Bier oder Wein. Sechs sind es diesmal im Zing, viele zum ersten Mal dabei.

„Da werden bestimmt noch welche kommen“, ist sich Louise sicher. Soll man vielleicht eine kleine Vorstellun­gsrunde machen, oder noch die berühmte akademisch­e Viertelstu­nde warten? Nur, wie heißt das auf Französisc­h? Louise stutzt. Akademisch? „Bei uns heißt das quart d’heure de politesse.“Die Viertelstu­nde der Höflichkei­t. Nach der trifft Thomas am Tisch ein, direkt von der Arbeit. Er habe seit Oktober eine Stelle bei der Deutsch-Französisc­hen Handelskam­mer, komme aus der Gegend von Nantes und sein Deutsch sei noch ziemlich schlecht, erzählt er auf Französisc­h. Um so besser für die Deutschen in der Runde, denn das ist ja die Sprache, in der sie hier reden wollen. So wie Kathrin, die bei der Deutsch-Französisc­hen Stiftung für die kulturelle Zusammenar­beit tätig ist. „Ich höre die ganze Zeit Französisc­h, aber ich spreche nicht selbst“, sagt sie bedauernd.

Beim Deutsch-Französisc­hen Jugendwerk in Saarbrücke­n, wo Benjamin als französisc­her Freiwillig­er arbeitet, hat man es deshalb geregelt: „Wir wechseln uns im Büro immer ab, drei Tage sprechen wir Deutsch, zwei Tage Französisc­h“, berichtet er. Fast alle am Tisch,– am Ende sind es zwölf – sind unter Dreißig, fast alle arbeiten in der Landeshaup­tstadt in deutsch-französisc­hen Einrichtun­gen, fast alle kommen von außerhalb des Saarlandes. So wie die Rheinland-Pfälzerin, heute in der internatio­nalen Presseabte­ilung bei V&B berufstäti­g, hat mehrere das Studium der Interkultu­rellen Kommunikat­ion hierher geführt. Oder die deutsch-französisc­hen grenzübers­chreitende­n Studien, wie bei Jéremie. „Ich wollte mal raus aus Paris“, erklärt er. So hat er bereits Metz kennengele­rnt, das eine sehr malerische Stadt sei, aber Saarbrücke­n dafür viel lebendiger, wie er findet.

Auch die Sächsin Yvonne, die nach einer Zeit in Stuttgart seit kurzem an der Saar-Uni Kommunikat­ionsrecht studiert, ist von Saarbrücke­n begeistert. „Hier kann ich zum ersten Mal meine Leidenscha­ft fürs Deutsch-Französisc­he richtig ausleben“, schwärmt sie. Besonders gut geht das an diesem Stammtisch, wo sie Gleichgesi­nnte findet. Jeder spricht hier, wie er will, mal in der einen, mal in der anderen Sprache. Und man hat sich offenbar viel zu sagen. Bald hört man lauter Zweier- und Dreier-Grüppchen rund um den Tisch lachen und heftig diskutiere­n. Nicht nur Benjamin, der am Anfang recht still wirkte, will wiederkomm­en. Wegen der „conviviali­té“, erklärt er.

Alle nickend zustimmend. Klingt das für deutsche Ohren nicht viel schöner und weniger abgenutzt als „Geselligke­it“?

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KARIKATUR: DPA/MARTIN GU In Saarbrücke­n arbeiten viele Franzosen, die ihre deutschen Sprachkenn­tnisse verbessern und nette Leute kennenlern­en wollen.

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