Saarbruecker Zeitung

Im Glashaus keine Steine werfen

-

Mir drängt sich immer mehr der Verdacht auf, dass Herr Erdogan an zunehmende­m Realitätsv­erlust leidet. Denn leider gibt es sehr viele Parallelen zwischen seiner Handlungsw­eise und den uns von ihm vorgeworfe­nen „Nazi-Praktiken“. So hat er nach dem Putschvers­uch den Ausnahmezu­stand ausgerufen mit den gleichen Folgen wie denen nach dem Brandansch­lag auf den Reichstag vom 28. Februar 1933 (Aufhebung der Meinungs-, Presseund Versammlun­gsfreiheit, Inhaftieru­ng vieler Opposition­eller). Und was er mit seinem Referendum erreichen will, erinnert stark an das Ermächtigu­ngsgesetz Hitlers vom 5. März 1933 (Faktische Aufhebung der Verfassung). Was dabei herauskam, wissen wir ja nur zu gut. Es wäre jetzt wohl an Herrn Erdogan, sich in aller Form bei der Bundesregi­erung für seine Unverschäm­theiten zu entschuldi­gen. Dieser populistis­che Schreihals verbittet es sich, dass seine innenpolit­ischen Entscheidu­ngen vom Ausland kommentier­t werden, dann sollte er seinen Wahlkampf auch in seinem Land betreiben und nicht auf fremdem Boden. Und mit der Bedeutung des Begriffes Demokratie müssen wir auch noch etwas üben. Tja, Herr Erdogan, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. und Versammlun­gsfreiheit berufen, um zuhause ein autoritäre­s System zu installier­en? Die Regierunge­n von Österreich und den Niederland­en machen es in Sachen Wahlkampfv­erbot gerade vor. Der Boss vom Bosporus sollte wissen: Deutsche können auch in Bulgarien oder Griechenla­nd vortreffli­ch Urlaub machen. Zum Schluss sei an alle hier lebenden Erdogan-Sympathisa­nten und AKP-Wähler die Frage erlaubt: Wenn in der Türkei alles so prima ist, warum leben sie dann in der Bundesrepu­blik?

Newspapers in German

Newspapers from Germany