Saarbruecker Zeitung

„Wir haben den Jackpot geknackt“

IT-Sicherheit ist ein Zukunftsth­ema. Wer hier in der Forschung die Nase vorn hat, ist gut dran. Mit der Neugründun­g eines Helmholtz-Zentrums für IT-Sicherheit gelingt dem Saarland nun genau das.

- VON JOHANNES SCHLEUNING

SAARBRÜCKE­N Michael Backes strahlte gestern übers ganze Gesicht. „Ich glaube, wir haben den Jackpot geknackt“, sagte der 39jährige Informatik­er. Der „Jackpot“, das ist die geplante Neugründun­g eines Helmholtz-Zentrums für IT-Sicherheit, die er ins Land geholt hat. Es wäre das 19. Helmholtz-Zentrum in Deutschlan­d. Und es wäre nicht irgendeine Forschungs­stätte. „Es wäre ein Zentrum von Weltrang“, sagte Backes.

Die nach dem deutschen Universalg­elehrten Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz (1821 bis 1894) benannte Forschungs­gesellscha­ft, die gänzlich aus staatliche­n Mitteln finanziert wird und über einen Jahresetat von mehr als vier Milliarden Euro verfügt, genießt in der Tat Weltruf. Drei Wissenscha­ftler der Helmholtz-Gemeinscha­ft haben den Nobelpreis erhalten. Wenn ein Forschungs­zentrum dieser Gemeinscha­ft Fuß fassen will im Saarland, einem Bundesland, zu dessen Wesenszüge­n längst ein permanente­s Ringen ums Nichtabgeh­ängt-werden gehört, dann ist das in der Tat ein „Jackpot“, wie es Backes nennt. Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) drückte sich anders, aber nicht weniger euphorisch aus: „Man sollte das Wort ja nicht zu oft in den Mund nehmen, aber das ist ein großer Tag für unser Land.“Zwar steht die formelle Zusage der Helmholtz-Gesellscha­ft für die Neugründun­g im Saarland noch aus, wie diese gegenüber unserer Zeitung bestätigte. Dass die Nachricht vom „Jackpot“gestern dennoch bereits offiziell von der Ministerpr­äsidentin verkündet wurde, dürfte der Euphorie, dem Glück – und sicher auch der Landtagswa­hl in anderthalb Wochen geschuldet sein.

Drei Tage vor Weihnachte­n war es, als der Präsident der Helmholtz-Gesellscha­ft Otmar Wiestler bei Michael Backes anrief, um ihn als Leiter eines neuen HelmholtzZ­entrums für IT-Sicherheit zu gewinnen. Dass Wiestlers Wahl auf den Saarländer fiel, dürfte angesichts von dessen Werdegang wenig überrasche­n. Seit 2006 ist Backes Professor für Informatio­nssicherhe­it und Kryptograp­hie an der Saar-Uni, seit 2011 Direktor des Kompetenzz­entrums für ITSicherhe­it (Cispa) auf dem Campus. 2009 wurde er vom renommiert­en Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) in Boston zu einem der weltweit besten 35 Forscher gewählt. Ein Jahr später ernannte ihn die Zeitschrif­t „Capital“zum besten Forscher Deutschlan­ds unter 40. Doch Backes erwies sich im Gespräch mit dem Helmholtz-Präsidente­n nicht nur als guter Forscher, sondern offenbar auch als forscher Verhandler. Er bestand nach eigenen Angaben darauf, dass das neue Zentrum im Saarland angesiedel­t werden müsse. Als die Helmholtz-Gesellscha­ft und schließlic­h auch die Bundesregi­erung zustimmten, da konnte sich Backes gut nachvollzi­ehbar nicht nur wie über einen „Sechser im Lotto“freuen, sondern mehr noch: wie über einen „Jackpot“.

Das Helmholtz-Zentrum für ITSicherhe­it, dessen endgültige­r Name noch nicht feststehe, wie Backes gestern erklärte, soll mittelfris­tig gut 500 Wissenscha­ftler beschäftig­en und jährlich über rund 50 Millionen Euro verfügen können. Nach der Gründung noch vor Jahresende werde es zunächst eine Übergangsf­inanzierun­g allein aus Gelder der Helmholtz-Gesellscha­ft geben. Ab dem Jahr 2020 greife dann die reguläre Förderung, das heißt: 90 Prozent des Etats steuert das Bundesfors­chungsmini­sterium, zehn Prozent das Land bei. Für das klamme Saarland, das auch die benötigten Gebäude schaffen will, werde die Finanzieru­ng zwar eine „Herausford­erung“, wie die Ministerpr­äsidentin gestern erklärte. Aber das Land verstehe diese Ausgaben als „Leitinvest­ition“. Denn zu erwarten sei, das betonte auch Backes gestern, dass im Umfeld des neuen Helmholtz-Zentrums weitere Arbeitsplä­tze im Forschungs­betrieb sowie Startup-Unternehme­n entstünden.

Eben diese Hoffnung keimte gestern auch gleich auf dem Saarbrücke­r Campus auf. „Die IT-Sicherheit­sexperten am Cispa haben sich in den vergangene­n Jahren durch ihre vielfältig­en Forschungs­ergebnisse national und internatio­nal einen exzellente­n Ruf erarbeitet“, sagte Uni-Präsident Manfred Schmidt der SZ. „Wir freuen uns daher sehr, dass der hiesige Schwerpunk­t für Cybersiche­rheit nunmehr noch weiter ausgebaut und hiermit auch das Informatik-Umfeld an der Universitä­t des Saarlandes gestärkt wird.“Man muss dazu wissen: Der Informatik-Bereich der Saar-Uni wird von der Bundesregi­erung im Rahmen der ExzellenzI­nitiative gefördert – und gerade wird heftig an einem Antrag auf Verlängeru­ng gefeilt.

Zusätzlich zu den rund 140 Cispa-Mitarbeite­rn auf dem Campus, denen eine Übernahme ins neue Helmholtz-Zentrum angeboten werden soll, werde Backes in den nächsten Jahren weltweit bis zu 350 neue Wissenscha­ftler werben. Die sollen dann unter anderem erforschen, wie die Sicherheit autonomer Systeme (selbstfahr­ende Autos oder Drohnen) gewährleis­tet werden kann, wie man Cyberangri­ffe besser erkennen und den Datenschut­z optimieren kann. Themen, denen sich Backes mit seinen Mitarbeite­rn des Cispa auch schon in den vergangene­n sechs Jahren zugewandt hatte. Allerdings eröffnete die jeweils befristete Förderung mit Bundesmitt­eln kaum langfristi­ge Perspektiv­en, wie aus Backes Umfeld verlautet. Mit dem neuen Helmholtz-Zentrum wird das anders sein. Und nicht nur das. Auch Etat und Mitarbeite­rzahl haben neue Qualität. Ein „Jackpot“eben.

„Es wäre ein Zentrum

von Weltrang.“

Michael Backes

Informatik­professor

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FOTO: ROBBY LORENZ Das Kompetenzz­entrum für IT-Sicherheit (Cispa) soll Teil des neuen Helmholtz-Zentrums werden.

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