Ein Zahlenmensch wird neuer Bahn-Chef
ANALYSE Gehandelt wurden einige bekannte Manager, Richard Lutz war nicht der Favorit. Doch Union und SPD setzen beim Grube-Nachfolger auf eine interne Lösung.
BERLIN (dpa) Richard Lutz hatten die wenigsten auf der Rechnung. Andere Namen wurden für den Vorstandsvorsitz bei der Deutschen Bahn genannt: Siegfried Russwurm etwa, der scheidende Siemens-Technikchef, oder Andreas Meyer, der Chef der Schweizerischen Bundesbahnen. Nun rückt aber Bahn-Finanzvorstand Lutz als Nachfolger von Rüdiger Grube an die Spitze. Kein Menschenumarmer wie Grube, ein Zahlentyp, freundlich, korrekt und bisher sehr sparsam mit öffentlichen Auftritten.
Am Donnerstag kommender Woche wird es einen besonderen Auftritt geben: Die Vorstellung der Jahresbilanz 2016, erstmals mit Lutz in der Mitte des Podiums, als Chef. Seine Berufung ist eine Überraschung, wahrscheinlich Resultat eines Kompromisses, aber er ist wohl kein Übergangskandidat. Mit 52 Jahren ist Lutz jung genug, um den Posten eine längere Zeit zu behalten, wenn er seine Sache gut macht. Nach den üblichen Usancen dürfte er einen Fünfjahresvertrag erhalten. Vier Männer aus der Bundesregierung hatten sich am Montag auf ihn geeinigt: Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD), Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU).
Formal ernennt der Aufsichtsrat den Vorstandsvorsitzenden. Das soll in der nächsten Woche geschehen. Von der Arbeitnehmerseite, die zehn der 20 Aufsichtsratsmitglieder stellt, ist kein Widerstand zu erwarten, heißt es bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Man akzeptiere generell, dass der Vorstandschef von der Regierung auserkoren werde.
Der Betriebswirt Lutz ist bereits seit 1994 bei der Bahn, seit 2010 Finanzvorstand und seit Sommer 2015 zudem für die internationalen Geschäftsfelder DB Arriva und DB Schenker Logistics zuständig, die der sonst nüchterne Manager „unsere schönsten Töchter“nennt. Außerdem gehören die Beschaffung und die Informationstechnologie zu seinem Verantwortungsbereich. Er kennt das komplexe Gebilde Bahn damit aus dem Effeff, ohne Ingenieur zu sein wie seine Vorgänger Grube und Hartmut Mehdorn.
Für die Minister ist Lutz damit eine verlässliche Größe. Es ist zu erwarten, dass er den Kurs Grubes erst einmal fortführt, vor allem das Programm „Zukunft Bahn“, mit dem Service und Qualität für die Kunden verbessert und die Güterbahn aus ihrer Krise geführt werden soll. Dass Lutz diese Kontinuität verkörpert, ist für manche genau das Problem, eine verpasste Chance. Man habe sich damit „für den Status quo entschieden und nicht für den Aufbruch“, bemängeln die Grünen. Der Konzern müsse sich „wieder stärker auf seinen Markenkern konzentrieren und in verlässlichen und attraktiven Personenverkehr investieren, statt sich in Expansionsprojekten zu verzetteln“. Sie meinen damit das von Grube so genannte Brot-und-Butter-Geschäft in Deutschland, das Lutz bei der Jahresbilanz vor einem Jahr als „Sorgenkind in Sachen Qualität und Wirtschaftlichkeit“einstufte.
Einer, der sich lange Hoffnung auf den Chef-Posten machen konnte, ist nun nach dem überraschenden Rücktritt Grubes Ende Januar aus dem Rennen: Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla. Die SPD wollte den CDU-Mann nicht. Er wird jetzt wohl InfrastrukturVorstand bleiben. Aus der Koalition ist zu hören, dass es auch kein Versprechen gibt, dass er später Bahnchef wird.