Erdogan heizt Streit mit Niederlanden weiter an
Ankara wirft Den Haag „Staatsterrorismus“vor. In Deutschland macht Innenminister de Maizière Voraussetzungen für ein Verbot türkischer Wahlkampfauftritte klar.
ISTANBUL/BERLIN (afp/dpa) Im Streit um die Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Europa setzt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan weiter auf Eskalation: In einer Rede beschuldigte er die Niederlande gestern des „Staatsterrorismus“und hielt ihnen ihr Versagen beim Massaker von Srebrenica vor. Nachdem die Türkei am Morgen bereits diplomatische Sanktionen verhängt hatte, drohte Erdogan Den Haag mit weiteren Strafmaßnahmen. „Wir kennen die Niederlande und die Niederländer vom Massaker in Srebrenica“, sagte Erdogan im Präsidentenpalast in Ankara. „Wir wissen, wie sehr ihre Moral durch die 8000 Bosnier, die massakriert worden sind, gebrochen wurde.“Niemand dürfe der Türkei „Lehren in Zivilisation“erteilen, sagte Erdogan. „Ihre Geschichte ist dunkel, unsere aber ist sauber.“
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte wies die Äußerungen scharf zurück und warf Erdogan eine „abscheuliche Verfälschung der Geschichte“vor. Der türkische Präsident „heizt die Situation weiter an“, sagte Rutte.
Ein niederländisches Blauhelmkontingent war während des Bürgerkriegs in Bosnien in der Enklave von Srebrenica stationiert, hatte aber im Juli 1995 nicht verhindern können, dass bosnische Serben dort rund 8000 Muslime ermordeten. In den Niederlanden wird das Versagen ihrer Soldaten in Srebrenica bis heute als Trauma empfunden. Am Montagabend hatte bereits Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus erklärt, alle Begegnungen ab Ministerebene auszusetzen, „bis die Niederlande für das, was sie getan haben, Wiedergutmachung leisten“. Der niederländische Botschafter, der sich derzeit außer Landes befindet, dürfe erst zurückkehren, wenn die Bedingungen der Türkei erfüllt seien.
Unterdessen hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) klargemacht, wann er Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland verbieten will. „Wenn ein anderer Staat hier politisch Einfluss zu nehmen sucht, dann sollte auch das uns alle alarmieren“, sagte de Maizière gestern. „Es gibt ganz klare Grenzen, an denen auch meine Toleranz endet.“Dies sei der Fall, „wenn Strafbarkeitsgrenzen überschritten sind, wenn ausländische Minister auf deutschem Boden den Wolfsgruß zeigen, oder unser Land mit respektlosen Nazivergleichen diskreditiert wird oder wenn der Versuch unternommen wird, uns zu kränken“. Der mit ausgestreckter Hand gezeigte Wolfsgruß ist das Zeichen türkischer Ultranationalisten. Sollten die von ihm gezogenen Grenzen überschritten werden, „dann würde gehandelt und das nicht vorher angekündigt“.
Derweil haben weitere türkische Politiker Wahlkampfauftritte in Deutschland angekündigt.