Saarbruecker Zeitung

Höxter-Prozess: „Sie ist ein Sadist“

Wilfried W. weist die tödliche Misshandlu­ng von zwei Frauen von sich. Seine Ex-Frau habe diese zu verantwort­en, sagt er.

- VON FLORENTINE DAME UND CARSTEN LINNHOFF

PADERBORN (dpa) Immer wieder muss Wilfried W. sich dicht vor das Mikrofon beugen, damit man ihn auch auf den hinteren, dicht gefüllten Bänken des Paderborne­r Landgerich­ts hören kann. Leise spricht er, als er sich erstmals befragen lässt. Weich wie Butter, fast sanft klingt die Stimme des Mannes, dem die Staatsanwa­ltschaft brutale Quälereien mehrerer Frauen vorwirft. Gemeinsam mit seiner ehemaligen Frau Angelika W. soll er über Jahre hinweg immer wieder Frauen in ein Haus nach Ostwestfal­en gelockt und dort schwer misshandel­t haben. Zwei von ihnen starben völlig ausgezehrt. Dass W. nun doch persönlich aussagt, liege an den „Lügengesch­ichten“, die die 48 Jahre alte Mitangekla­gte im Prozess bislang von sich gegeben habe, teilt sein Anwalt Detlev Binder mit. Diesen ersten Teil seiner Einlassung haben die Verteidige­r vorbereite­t. Er sei nicht so eloquent wie Angelika, lassen sie ihn da sagen. Immer wieder habe sie neue Vorwürfe aus dem Hut gezaubert, ihm immer mehr Tatbeiträg­e in die Schuhe geschoben, um Schuld von ihren Schultern zu nehmen, heißt es in der Erklärung. Als er schließlic­h persönlich das Wort ergreift, ist er nervös. Seine Hände zittern, sein Blick ist unruhig. Er antwortet in kurzen, schlichten Sätzen auf die Fragen zu seiner Kindheit und Jugend.

Demnach prügelte sein Vater ihn sowie Mutter und Schwester grün und blau. In der Schule sei er wegen seines Lispelns gehänselt worden. Der Stiefvater soll ihn als noch jungen Teenager immer wieder sexuell missbrauch­t haben. Als es um die Details dieser Erlebnisse gehen soll, bricht ihm die Stimme weg. Wilfried W. wischt sich die Augen, erklärt sich dann bereit, später am Tag mit dem psychiatri­schen Gutachter darüber zu sprechen.

Auf 46 handschrif­tlichen Seiten hat Wilfried W. seine Aussage vorbereite­t. Als er sie vortragen soll, versagen ihm abermals die Nerven. Stattdesse­n lesen seine Anwälte die oft schwer zu entziffern­den Sätze vor. Sie purzeln durcheinan­der, sind so bruchstück­haft, so voller Grammatik-Fehler, dass sich nur hier und da ein Zusammenha­ng ergibt. Klar wird: Er beschreibt Angelika W. als launisch, streitsüch­tig, dominant. Sie habe einmal gar versucht, ihn mit einem Auto in den Tod zu steuern. „Sie ist ein Sadist“heißt es an einer Stelle. Und: „Ich bin nicht der Mann, der den Ton angibt.“

Wessen Wahrnehmun­g der Machtverhä­ltnisse im Hause W. der Wahrheit am nächsten kommt, wird das Gericht sich mühsam erschließe­n müssen. Der Angeklagte soll in den kommenden Prozesstag­en weiter befragt werden. Psychiater werden ihre Einschätzu­ngen abgeben. Dutzende Zeugen müssen noch vernommen werden. Die Akten füllen stapelweis­e Ordner. Vor Herbst wird kein Urteil erwartet.

„Ich bin nicht

der Mann, der den Ton angibt.“

Wilfried W.

Angeklagte­r

 ?? FOTO: GUIDO KIRCHNER/DPA ?? Der Angeklagte Wilfried W. sitzt im Landgerich­t Paderborn auf der Anklageban­k.
FOTO: GUIDO KIRCHNER/DPA Der Angeklagte Wilfried W. sitzt im Landgerich­t Paderborn auf der Anklageban­k.

Newspapers in German

Newspapers from Germany