Höxter-Prozess: „Sie ist ein Sadist“
Wilfried W. weist die tödliche Misshandlung von zwei Frauen von sich. Seine Ex-Frau habe diese zu verantworten, sagt er.
PADERBORN (dpa) Immer wieder muss Wilfried W. sich dicht vor das Mikrofon beugen, damit man ihn auch auf den hinteren, dicht gefüllten Bänken des Paderborner Landgerichts hören kann. Leise spricht er, als er sich erstmals befragen lässt. Weich wie Butter, fast sanft klingt die Stimme des Mannes, dem die Staatsanwaltschaft brutale Quälereien mehrerer Frauen vorwirft. Gemeinsam mit seiner ehemaligen Frau Angelika W. soll er über Jahre hinweg immer wieder Frauen in ein Haus nach Ostwestfalen gelockt und dort schwer misshandelt haben. Zwei von ihnen starben völlig ausgezehrt. Dass W. nun doch persönlich aussagt, liege an den „Lügengeschichten“, die die 48 Jahre alte Mitangeklagte im Prozess bislang von sich gegeben habe, teilt sein Anwalt Detlev Binder mit. Diesen ersten Teil seiner Einlassung haben die Verteidiger vorbereitet. Er sei nicht so eloquent wie Angelika, lassen sie ihn da sagen. Immer wieder habe sie neue Vorwürfe aus dem Hut gezaubert, ihm immer mehr Tatbeiträge in die Schuhe geschoben, um Schuld von ihren Schultern zu nehmen, heißt es in der Erklärung. Als er schließlich persönlich das Wort ergreift, ist er nervös. Seine Hände zittern, sein Blick ist unruhig. Er antwortet in kurzen, schlichten Sätzen auf die Fragen zu seiner Kindheit und Jugend.
Demnach prügelte sein Vater ihn sowie Mutter und Schwester grün und blau. In der Schule sei er wegen seines Lispelns gehänselt worden. Der Stiefvater soll ihn als noch jungen Teenager immer wieder sexuell missbraucht haben. Als es um die Details dieser Erlebnisse gehen soll, bricht ihm die Stimme weg. Wilfried W. wischt sich die Augen, erklärt sich dann bereit, später am Tag mit dem psychiatrischen Gutachter darüber zu sprechen.
Auf 46 handschriftlichen Seiten hat Wilfried W. seine Aussage vorbereitet. Als er sie vortragen soll, versagen ihm abermals die Nerven. Stattdessen lesen seine Anwälte die oft schwer zu entziffernden Sätze vor. Sie purzeln durcheinander, sind so bruchstückhaft, so voller Grammatik-Fehler, dass sich nur hier und da ein Zusammenhang ergibt. Klar wird: Er beschreibt Angelika W. als launisch, streitsüchtig, dominant. Sie habe einmal gar versucht, ihn mit einem Auto in den Tod zu steuern. „Sie ist ein Sadist“heißt es an einer Stelle. Und: „Ich bin nicht der Mann, der den Ton angibt.“
Wessen Wahrnehmung der Machtverhältnisse im Hause W. der Wahrheit am nächsten kommt, wird das Gericht sich mühsam erschließen müssen. Der Angeklagte soll in den kommenden Prozesstagen weiter befragt werden. Psychiater werden ihre Einschätzungen abgeben. Dutzende Zeugen müssen noch vernommen werden. Die Akten füllen stapelweise Ordner. Vor Herbst wird kein Urteil erwartet.
„Ich bin nicht
der Mann, der den Ton angibt.“
Wilfried W.
Angeklagter