Saarbruecker Zeitung

Krönungsme­sse mit 3000 Gästen

Die SPD wird ihren Hoffnungst­räger Martin Schulz am Sonntag zum Parteichef wählen.

- VON WERNER KOLHOFF Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Jörg Wingertsza­hn Thomas Schäfer

BERLIN Eines kann man der SPDZentral­e nicht vorwerfen: mangelnde Profession­alität. Sofort mit der Entscheidu­ng für Martin Schulz als Kanzlerkan­didat startete sie eine ziemlich perfekt gemachte Vorstellun­gs-Tournee durch Deutschlan­d. Vorläufige­r Höhepunkt ist nun der Parteitag am Sonntag in Berlin, auf dem der 61-Jährige den bisherigen Parteichef Sigmar Gabriel (57) ablösen und auch offiziell zum Merkel-Herausford­erer ernannt werden soll.

Seine zwei wichtigste­n Botschafte­n hatte Schulz bereits in seiner Antrittsre­de am 29. Januar formuliert – „Ich will Bundeskanz­ler werden“und „Es ist Zeit für mehr Gerechtigk­eit“. Der eine Satz steht für das neue Selbstbewu­sstsein der SPD und wurde bald mit Umfragen unterfütte­rt. Der andere Satz bedient die Sehnsucht nach einer Korrektur der ungeliebte­n Agenda-Reformen.

Schulz sind bisher wenig Schnitzer passiert, wenn man einmal von dem übermütige­n „Fangt doch mal an zu rufen“absieht, mit dem er in Würzburg versuchte, Anhänger zum üblichen „Martin, Martin“-Sprechchor zu bewegen. Dabei hat er das gar nicht nötig; Schulz ist an der Basis regelrecht Kult. 12 000 Neueintrit­te verzeichne­t die SPD seit Januar, 40 Prozent davon sind unter 35 Jahre alt. Bei jeder seiner fünf Großverans­taltungen, die sehr bewusst in Mittelstäd­ten wie Würzburg, Kamen oder Worms stattfande­n, strapazier­te der Kandidat seine Lebensgesc­hichte als Junge aus kleinem Hause, der „Brüche“hinter sich habe, samt früherem Alkoholpro­blem. Schulz wird konsequent als „einer von uns“inszeniert.

Auch der Parteitag ist so eine Inszenieru­ng. 3000 Gäste werden erwartet, darunter 600 Delegierte und 500 Journalist­en. Gabriel wird von Schulz aus dem Amt des Parteivors­itzenden verabschie­det werden, man darf annehmen mit enorm viel Herz und Schmerz. Altkanzler Gerhard Schröder, Vater der Agenda-Reformen, ist durch eine Auslandsre­ise verhindert und kann die Harmonie nicht trüben. Die Wählkämpfe­rinnen Anke Rehlinger und Hannelore Kraft werden gefeiert werden. Und ihrerseits dem Kandidaten wohl auf ewig dankbar sein, denn auch ihre Umfragewer­te sind nach oben geschossen. Und dann wird es nach Schulz’ Rede ein super Wahlergebn­is für den neuen ersten Mann geben, sicher deutlich über 90 Prozent. Vier Stunden Geschlosse­nheit, vier Stunden Siegeszuve­rsicht. Bei den Sozialdemo­kraten gab es so was lange nicht mehr.

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FOTO: DPA Martin Schulz dürfte mit deutlich über 90 Prozent gewählt werden.

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