Saarbruecker Zeitung

Die U-Boote von Oberwürzba­ch

Nachdem eine lange Talsohle durchschri­tten scheint, will der saarländis­che Conte Verlag jetzt vor allem literarisc­h wieder sichtbarer werden.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

OBERWÜRZBA­CH Ein Haus wie Abertausen­de hier. Kein Schild, nichts. Immerhin auf der oberen Klingel der typische Conte-Schriftzug. So unscheinba­r können also heute Verlagshäu­ser sein. „Das war früher unser Wohnzimmer“, sagt Roland Wirtz später. In dieser Oberwürzba­cher Dachwohnun­g, der Blick geht auf einen dahinter liegenden steilen Waldhang, werden also heute die Bücher des Conte Verlages entwickelt. Einen Moment lang ist man irritiert, dann findet man’s ganz normal. Verleger Wirtz kommt morgens zu Fuß, er wohnt mit seiner Frau und Tochter nur hundert Meter von seinem Elternhaus entfernt. Typisch Saarland eben. Warum auch nicht?

Eine harte, aufreibend­e Zeit liegt hinter Wirtz. Der Tod seines Verlagspar­tners Roland Buhles, der 2013 mit 54 Jahren starb, hob Conte aus den Angeln. Buhles und Wirtz hatten den Verlag 2001 aus der Taufe gehoben und über gut zehn Jahre hinweg zur wichtigste­n Literatura­dresse an der Saar aufgebaut. Buhles’ Tod traf den kleinen Verlag ins Mark. Von der Buchdrucke­rei, die ihn lange mittrug, musste man sich trennen – begleitet von finanziell­en Querelen, die am Ende gut ausgingen. 2016 starb dann auch noch Stefan Wirtz’ Vater. „Ich war jetzt vier Jahre lang Krisenmana­ger“, beschreibt er das hinter ihm liegende tiefe Tal.

Jetzt aber will er wieder in die alte verlegeris­che Spur zurückfind­en. „Ich kann endlich wieder aktiver werden“, sagt Wirtz, begleitet von einem handfesten Lächeln. Sieht man sich das aktuelle Frühjahrsp­rogramm von Conte an, wird deutlich, was er damit ausdrücken will: So dünn, keiner weiß das besser als Wirtz, war das Neuerschei­nungen-Portfolio bei Conte lange nicht. Weil der geplante Spitzentit­el kurzerhand wegbrach, muss der Verlag deshalb in seiner bemerkensw­ert abgespeckt­en Frühjahrsv­orschau gleich in Gestalt eines Krimis mit der Tür ins literarisc­h spartanisc­h möblierte Haus fallen. „Nachtgespe­nster“, der vierte Irland-Krimi von Carolin Röhmer, eröffnet ein Programm, das noch sehr viel überschaub­arer ausfiele, dienten nicht diverse, bereits angebotene Titel zur Auffüllung. „Früher, als Roland noch gelebt hat, haben wir 20 Titel pro Jahr gemacht, jetzt sind es noch zehn.“Fragt man Wirtz weshalb, sagt er: „Ist gesünder. Fühlt sich besser an.“Die Gesamtzahl der verkauften Verlagsbüc­her sei heute höher als damals bei 20 Titeln im Jahr. Tatsächlic­h drohte sich Conte früher zu verzetteln vor lauter Programmre­ihen, die dann nur halbherzig bestückt wurden. Aber mehr Vielfalt als derzeit soll es schon wieder geben, kündigt Verleger Wirtz an. Was bei 50 bis 60 Manuskript­en, die monatlich eingehen in Oberwürzba­ch, machbar sein sollte. Ihre Qualität ist Wirtz zufolge besser geworden mit den Jahren – was darauf zurückzufü­hren sein könnte, dass sich Conte in der Branche doch einen gewissen Leumund erarbeitet hat.

Durchschni­ttlich fünf dieser Einreichun­gen (teils auch auf Empfehlung­en von Literatura­genturen basierend, mit denen Conte kooperiert) schaue er sich mit seinen Verlagsleu­ten – festangest­ellt sind ein Lektor, ein Graphiker und eine Buchhalter­in; hinzu kommen auf Honorarbas­is „Testleser“(Wirtz) – genauer an. Davon wiederum komme „alle zwei Monate ein Buch durch“– was unterm Strich immerhin die Hälfte einer ConteJahre­sproduktio­n ist. Man ahnt, dass der Verlag vornehmlic­h mit Krimis zugeschütt­et wird, die heute ja Hinz und Kunz glaubt schreiben zu können. Seltener wird Conte mit guten Romanstoff­en bestückt, weil man (zurecht) nicht als Literaturv­erlag gilt. Und noch seltener mit ertragreic­her regionaler Belletrist­ik. Obwohl Conte nach dem Ende von Gollenstei­n, da der benachbart­e Geistkirch Verlag kaum Prosa druckt, im Grunde die einzige regionale Literatura­dresse ist. Martin Bettinger, Mark Heydrich und die Pfälzer Marcus Imbsweiler und Frank P. Meyer sind als Autoren für Wirtz oft gesetzt. Dazu gehören noch Jörg W. Gronius und Andreas Dury zum engeren Autorenkre­is. Wer wie woran arbeitet, findet früher oder später über Zuträger oder die Autoren den Weg nach Oberwürzba­ch. „Ich habe UBoote überall“, drückt Wirtz es aus.

2005 machte der Verlag Zweidritte­l seines Umsatzes in der Region, heute ist es eher umgekehrt – weil Standortna­chteile in digitalen Zeiten (und social networking) schwinden, Conte viele FrankfurtK­rimis macht und der Direktvert­rieb an Bedeutung gewinnt. Friedhelm Schneidewi­nds druckfrisc­hes, 800-seitiges „Das große neue Tolkien-Lexikon“etwa wird Wirtz auf der Jahrestagu­ng der Tolkien-Gesellscha­ft platzieren. Und nächste Woche auf der Leipziger Buchmesse. Dort, ist er sich sicher, wird es wieder „den einen Moment geben, für den sich die ganze Messe lohnt“. Zum Beispiel ein gutes Romanmanus­kript. Hoffentlic­h.

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