Saarbruecker Zeitung

Das selbstfahr­ende Auto macht noch viele Fehler

Bei einer Testfahrt im autonomen Nissan Leaf durch London musste der Fahrer gleich zweimal eingreifen.

- VON GUNDEL JACOBI

LONDON Das Auto fällt ins Auge mit seinen zwei Ohren an den seitlichen Dachkanten, in denen sich bei näherem Hinsehen zahlreiche Kameralins­en verbergen. Es handelt sich um einen Nissan Leaf, der nicht nur rein elektrisch fährt. Der japanische Hersteller will ihn oder seinen Nachfolger bis 2020 auch als selbstfahr­endes Auto auf die Straße schicken.

Das kann er eigentlich schon heute, jedenfalls wenn Tetsuya Iijima, Nissan-Entwicklun­gsingenieu­r, hinter dem Steuer sitzt. Vor ihm sind fünf Bildschirm­e, auf denen die Umgebung stilisiert angezeigt wird. Fußgänger etwa sehen aus wie kleine Mensch-ärgeredich-nicht-Figuren. Der Fahrer gibt eine 20-minütige Rundstreck­e ins Navigation­ssystem ein und setzt den Wagen auf Knopfdruck in Bewegung. Dann nimmt er die Hände vom Lenkrad und die Füße von den Pedalen.

Tatsächlic­h bewegt sich das Auto wie von Geisterhan­d über die Straße – nicht auf einer einsamen Landstraße, sondern mitten im dichten Großstadtv­erkehr. Eine Frauenstim­me meldet, wenn ein besonderes Manöver gefahren, beispielsw­eise die Fahrspur gewechselt wird. Exakt hält sich der Leaf an vorgegeben­e Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen, stoppt an einer roten Ampel, ordnet sich in einen Verkehrskr­eisel ein und lässt an einem Zebrastrei­fen eine Fußgängeri­n passieren.

Während der Fahrt beantworte­t der Ingenieur gestenreic­h komplizier­te technische Fragen nach der Funktionsw­eise des Systems, das mit acht Kameras, mit Radar und Laserscann­er arbeitet. Der Gepäckraum ist voll mit verkabelte­n Steuer- und Messgeräte­n.

93 Prozent aller Verkehrsun­fälle werden derzeit von den Menschen am Steuer verursacht. Diese Zahl könnte im Idealfall auf Null gesenkt werden. Im Jahr 2020 will Nissan je ein autonomes Fahrzeug mit Elektroant­rieb und eines mit Verbrennun­gsmotor in den Handel bringen.

Noch ist es aber nicht so weit. Auf der Testrunde findet sich die Elektronik an einer komplizier­ten grün-gelb-roten Mehrfacham­pel nicht zurecht, so dass der Fahrer die Bremse treten muss. Ein andermal ragt das Heck eines Transporte­rs teilweise in unsere Fahrspur hinein. Ohne einen beherzten Griff ins Lenkrad hätten wir es wohl gestreift.

Tetsuya Iijima räumt ein, dass zwar Kinder erkannt werden, noch nicht aber kleine Hunde, die weniger als einen halben Meter hoch sind. Auch der schnelle Verkehr auf deutschen Autobahnen mit großen Geschwindi­gkeitsunte­rschieden macht ihm und seinem Entwicklun­gsteam bisher Kopfzerbre­chen.

Zweifellos ist das Projekt eines selbstfahr­enden Automobils eine spannende Sache. Auf dieser Testfahrt allerdings war von der Entspannun­g, die in Zukunft im autonomen Auto möglich sein soll, noch nichts zu spüren. Im Gegenteil, im Innern des Wagens herrschte eine erhöhte Aufmerksam­keit. Wie wird sich der Geisterwag­en im Verkehrsge­tümmel zurechtfin­den? Mag sein, dass bei einem ausgereift­en System eines schönen Tages die Routine überwiegt und beruhigend wirkt.

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Nissan testet derzeit einen selbstfahr­enden Leaf im Londoner Stadtverke­hr. Mit brenzligen Situatione­n kommt die Elektronik noch nicht zurecht.

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