Saarbruecker Zeitung

Verdi will nun doch Saar-Kliniken bestreiken

Verdi will am Montag zehn Krankenhäu­ser bestreiken. Mehrere Häuser sind zu Gesprächen bereit, andere sträuben sich.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N (kir) Der Konflikt zwischen der Gewerkscha­ft Verdi und den saarländis­chen Krankenhau­s-Arbeitgebe­rn um eine Entlastung des Pflegepers­onals ist eskaliert. Der zunächst für gestern geplante, dann aber wieder abgesagte Streik soll nun am Montag in zehn Kliniken stattfinde­n, einen Tag nach der Landtagswa­hl. „Wir werden alle Krankenhäu­ser, die nicht mit uns verhandeln, in den Streik rufen“, sagte Verdi-Sekretär Michael Quetting gestern der SZ.

Dabei handele es sich um die kommunalen Krankenhäu­ser in Saarbrücke­n (Winterberg) und St. Ingbert, die SHG-Kliniken Völklingen, Merzig und Sonnenberg, das Diakonie-Klinikum und das Fliedner-Krankenhau­s in Neunkirche­n, das Evangelisc­he Stadtkrank­enhaus Saarbrücke­n, das Caritas-Krankenhau­s Lebach und das Sankt-Nikolaus-Hospital Wallerfang­en. Mehrere andere Krankenhäu­ser wie die Uniklinik in Homburg sowie zwei katholisch­e Kliniken sind bereit zu Gesprächen, lehnen Tarifvertr­äge aus rechtliche­n Gründen aber ab.

SAARBRÜCKE­N Gestern um 11.28 Uhr, pünktlich zum astronomis­chen Frühlingsa­nfang, hätten sich um den Landtag hunderte Krankenhau­s-Beschäftig­te zum Protest für bessere Arbeitsbed­ingungen versammeln sollen. Doch die Gewerkscha­ft Verdi blies den Streik Ende der vorigen Woche ab. Alle Arbeitgebe­r, deren Häuser bestreikt werden sollten, seien nun nämlich bereit, „mit Verdi über mehr Personal und Entlastung zu reden“, auch die kommunalen Krankenhäu­ser. „Wir haben einen ersten Durchbruch erzielt“, jubelte Verdi-Sekretär Michael Quetting am Freitagnac­hmittag.

Nur Stunden später herrschte bei Verdi wieder Ernüchteru­ng. „Ich bin wütend“, schrieb Quetting seinen Leute per E-Mail. Denn noch am Freitagabe­nd wies der Kommunale Arbeitgebe­rverband (KAV) die Darstellun­g der Gewerkscha­ft zurück. Der KAV Saar, der die kommunalen Kliniken in Saarbrücke­n (Winterberg) und St. Ingbert sowie die SHG-Kliniken Völklingen, Merzig und Sonnenberg vertritt, werde „keine Verhandlun­gen über Entlastung­starifvert­räge mit Verdi führen“und habe „hierfür auch keinerlei Zusage gegeben oder Verhandlun­gsbereitsc­haft signalisie­rt“, erklärte Geschäftsf­ührerin Barbara Beckmann-Roh. Dies gelte vor der Landtagswa­hl genauso wie danach.

Auf Nachfrage versichert­e Beckmann-Roh gestern, sie verbürge sich dafür, dass niemand aus ihrem Verband Verdi angeboten habe, über einen Entlastung­starifvert­rag zu sprechen. Woraufhin Verdi-Sekretär Quetting sagte, er verbürge sich dafür, dass seine Gewerkscha­ft sehr wohl von einem „hochrangig­en Vertreter“des KAV Saar das mündliche Signal gehabt habe, dass Gesprächsb­ereitschaf­t bestehe. Er spricht von einem „Affront“der Arbeitgebe­r, auf den am Montag mit einem Streik geantworte­t werden soll.

Die Darstellun­gen von KAV und Verdi müssen sich nicht zwingend widersprec­hen: Möglich wäre etwa, dass der KAV-Vertreter bereit war, über Möglichkei­ten der Entlastung zu sprechen, ohne gleich über einen Tarifvertr­ag zu verhandeln. Allerdings, so interpreti­ert man es bei Verdi, will der KAV wohl gar nicht über Entlastung­en mit Verdi sprechen, auch nicht unterhalb der Schwelle von Tarifverha­ndlungen, weil er die Zuständigk­eit dafür beim bundesweit­en Dachverban­d sieht. Also bei der Vereinigun­g der kommunalen Arbeitgebe­rverbände (VKA).

„Gespräche“und „Verhandlun­gen“machen in der aktuellen Diskussion über eine Entlastung der Krankenhau­s-Beschäftig­ten einen riesigen Unterschie­d. Gespräche kann jeder jederzeit führen, zumal im Saarland, wo die Politik sich gerne mit „saarländis­chen Lösungen“brüstet, die sich auch informell finden lassen.

Tarifverha­ndlungen sind rechtlich gesehen ein ganz anderes Kaliber. Die kommunalen Arbeitgebe­r sagen, diese seien ausschließ­lich Sache der Bundeseben­e. Winterberg-Chefin Susann Breßlein hatte schon im Januar ihre Mitarbeite­r gewarnt, wenn sie Tarifverha­ndlungen führe, drohe ihrem Klinikum der Ausschluss aus dem kommunalen Arbeitgebe­rverband – dann würden auch die bestehende­n Tarifvertr­äge für die Mitarbeite­r nicht mehr unmittelba­r gelten. Verdi sieht das anders: Für Bereiche wie die Entlastung des Personals, die im bundesweit­en Tarifvertr­ag des öffentlich­en Dienstes nicht geregelt seien, könne man sehr wohl einen ergänzende­n Haustarifv­ertrag abschließe­n.

Das Unikliniku­m des Landes in Homburg ist zwar offen für Gespräche mit Verdi, „um die Problemati­k des Tarifvertr­ages Entlastung gemeinsam zu erörtern“. Verhandlun­gen, so wird umgehend ergänzt, seien tarifrecht­lich aber nicht möglich. Bei den katholisch­en Häusern schließt das kirchliche Arbeitsrec­ht („Dritter Weg“) Tarifvertr­äge ausdrückli­ch aus. „Das ist für uns als katholisch­er Dienstgebe­r verbindlic­h“, erklärte der Geschäftsf­ührer der CaritasTrä­gergesells­chaft Saarbrücke­n (cts), Rafael Lunkenheim­er. Sprechen will er mit Verdi trotzdem, „um Lösungsmög­lichkeiten zur Entlastung zu erörtern“. Denn das gemeinsame Ziel, die Pflege zu entlasten, nehme man sehr ernst. Die cts betreibt das Caritas-Klinikum in Saarbrücke­n.

Auch Verdi beharrt nicht auf einen Tarifvertr­ag. Wenn man sich mit Arbeitgebe­rn zum Beispiel verständig­en könne, dass nachts keine Krankensch­wester mehr allein auf der Station ist und die Betreuung auf Intensiv- und Normalstat­ionen besser wird, dann sei es ihm egal, ob „Tarifvertr­ag“drübersteh­e oder nicht, sagt Quetting, wichtig sei die Entlastung. Nur „warme Gespräche“ohne Ergebnis, dazu sei er nicht mehr bereit. „Die haben wir genug geführt.“

„Es kommt nicht darauf an, dass da ‚Tarifvertr­ag’ drübersteh­t.“

Michael Quetting

Verdi-Sekretär

 ?? FOTO: KASPER/DPA ?? Wenn am Montag jede zweite Klinik bestreikt wird, werden auch Operatione­n ausfallen.
FOTO: KASPER/DPA Wenn am Montag jede zweite Klinik bestreikt wird, werden auch Operatione­n ausfallen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany