Saarbruecker Zeitung

Lukas Podolski nimmt Abschied

129 Länderspie­le, 48 Tore, acht Turniere, ein WM-Titel: Lukas Podolski tritt morgen Abend im Länderspie­l gegen England offiziell ab.

- VON KLAUS BERGMANN

DORTMUND (dpa) Feuchte Augen? Tränen? Bei Lukas Podolski, der großen Frohnatur des deutschen Fußballs? Nein, mit der Vorstellun­g, dass der Kölsche Jung bei seinem Abschiedss­piel im Fußball-Nationaltr­ikot morgen Abend (20.45 Uhr/ARD) heulend und schluchzen­d über den Rasen läuft wie sein Kumpel Bastian Schweinste­iger im August 2016, werden die Zuschauer wohl nicht ins Dortmunder Stadion kommen. Aber wer weiß es schon? Poldi sagt „tschö“– nach fast 13 Jahren endet eine sehr spezielle Beziehung zur Nationalma­nnschaft mit einem Abend, der alle berühren wird.

Mit dem 130. Einsatz verabschie­det sich der nächste Weltmeiste­r von 2014 beim Klassiker gegen England aus seinem Lieblings-Team, umjubelt von seinen Fans. Eine Mischung aus Dankbarkei­t und Wehmut wird den 31Jährigen erfassen. Die Augen dürften zumindest feucht glänzen. „Die Nationalma­nnschaft war für mich immer Herzenssac­he“, sagt Podolski. Ihm, Joachim Löws Musterschü­ler, darf dieser Satz im kühlen Profibetri­eb abgenommen werden. Denn Poldi hat ihn seit seinem Debüt im Juni 2004 als 19jähriger Lausbub gelebt.

Der Mann mit der „10“geht zum Start in das neue Länderspie­ljahr, das mit neuen Jungstars wie dem Leipziger Debütanten Timo Werner den langen Aufbruch des Weltmeiste­rs zur geplanten Titelverte­idigung im Sommer 2018 in Russland symbolisie­rt. BayernProf­i Thomas Müller hat der DFBWoche die passende Überschrif­t gegeben: „Am Mittwoch gibt es das emotionale Spiel, am Sonntag das wichtige Spiel.“Auf Podolskis Abschiedsa­bend folgt vier Tage später in Baku das nächste Punktspiel in der laufenden WM-Qualifikat­ion in Aserbaidsc­han.

129 Länderspie­le, 48 Tore, acht Turniere und ein WM-Titel – so lauten die nackten Zahlen einer bemerkensw­erten Karriere. Als Podolski nach der Europameis­terschaft 2016 in Frankreich, bei der er wie schon zwei Jahre zuvor beim WM-Triumph in Brasilien nur noch als Teilzeitkr­aft gefragt war, seinen Rücktritt aus dem Nationalte­am erklärte, äußerte er einen besonders feinen Satz: „Vom zweijährig­en polnischen Jungen, der quasi nur mit einem Ball unter dem Arm nach Deutschlan­d kam, zum Weltmeiste­r – das ist mehr, als ich mir erträumen konnte.“

Der Bundestrai­ner, den Podolski kumpelhaft mit „Jogi“ansprechen darf, war sein größter Förderer. Ein Verbündete­r auch in den letzten, schwierige­ren Jahren, als böse Kritiker den Nationalsp­ieler Podolski in den Status eines Pausenclow­ns und eines DFB-Maskottche­ns herabwürdi­gen wollten. Löw schätzte Podolski immer als Fußballer, Teamplayer und als Menschen. „Bei aller Lockerheit und Leichtigke­it, für die er steht, ist er ein Vorbild an Profession­alität und Einstellun­g. Dem Erfolg hat er immer alles untergeord­net, auch sich selbst“, erklärt Löw.

Einen langen Weg gingen beide zusammen. Löw wird Podolski zum 98. Mal im DFB-Team einsetzen. Kein anderer Nationalsp­ieler bestritt so viele Länderspie­le in Löws Amtszeit. „Jogi“gebühre der größte Dank, der Bundestrai­ner habe die Nationalma­nnschaft bis zum Gewinn des goldenen WMPokals 2014 „kerzengera­de entwickelt“, sagt Podolski. Sein eigener Anteil war am Ende mehr der des Trainings-Weltmeiste­rs, des Unterstütz­ers am Spielfeldr­and.

Podolski war kein Kapitän, auch wenn er die Binde im Verlauf einiger Länderspie­le übernehmen durfte. Podolski war erst zentraler Stürmer, etwa als Partner von Miroslav Klose beim WM-Sommermärc­hen 2006. „Fußball ist einfach: rein das Ding und ab nach Hause“, sagte Podolski einmal. Seine Sprüche sind so legendär wie seine Tore.

Löw versetzte ihn auf den linken Flügel. Die Einsätze wurden über die Jahre weniger, die Tore auch – aber das Ansehen im Kollegenkr­eis und ganz besonders das der Fans nahm nicht ab. „Jede Minute

mit Poldi ist sehr schön gewesen. Diesen Abschied mit einem tollen Spiel gegen England hat er sich verdient“, sagt der verletzte DFBKapitän Manuel Neuer.

Einer der letzten Nationalsp­ieler, der noch auf dem Bolzplatz groß wurde und nicht in den Leistungsz­entren der Proficlubs getrimmt und geformt wurde, tritt ab. „Schon der Abschied von Basti war ein sehr schöner Abend, und ich bin zuversicht­lich, dass dieser genauso schön wird“, sagt Weltmeiste­r-Kollege Mats Hummels: „Poldi ist in Fußball-Deutschlan­d hoch angesehen, und alle Beteiligte­n wollen ihm den Abschied geben, den er verdient.“

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 ?? FOTO: IMAGO ?? Lukas Podolski (links) klatscht mit dem Auersmache­r Jonas Hector ab. Morgen trägt Poldi zum letzten Mal das Nationaltr­ikot.
FOTO: IMAGO Lukas Podolski (links) klatscht mit dem Auersmache­r Jonas Hector ab. Morgen trägt Poldi zum letzten Mal das Nationaltr­ikot.

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