Saarbruecker Zeitung

Kann Merkel die Schulz-Welle brechen?

Sechs Monate vor der Bundestags­wahl sucht die Union nach einem Rezept gegen den Hype um den SPD-Kanzlerkan­didaten.

- VON JÖRG BLANK

HANNOVER/BERLIN (dpa) Am Tag eins nach dem furiosen 100-Prozent-Ergebnis für Martin Schulz geht Angela Merkel routiniert der Regierungs­arbeit nach. Gemeinsam mit Japans Ministerpr­äsident Shinzo Abe lässt sie sich auf der Cebit in Hannover amüsiert einen Roboter zeigen, der Sushi serviert. Ob sie an ihre eigene Partei denkt, als sie später einen Sensor beäugt, der Temperatur und Geräusche in einem Bienenstoc­k aufzeichne­n und ermitteln kann, wie es den Tieren geht? Manche in der CDU werfen der Kanzlerin ja vor, sie habe das Gespür für die Basis verloren.

Wer sich am Montag nach der Kür des neuen SPD-Chefs in der CDU-Spitze umhört, bekommt einerseits Antworten, die versuchen, den Eindruck der Nervosität zu zerstreuen. Es sei ja noch Zeit. Das ist auch Merkels Credo angesichts des Schulz-Hypes: Nerven behalten, nicht zu früh das Pulver verschieße­n. Doch mittlerwei­le fragen sich etliche auch in der CDUSpitze: Kann Merkel die SchulzWell­e bis zur Bundestags­wahl am 24. September brechen? Zumindest hinter vorgehalte­ner Hand werden jene Stimmen lauter, die ungeduldig einen spürbaren Wahlkampf-Einstieg von Merkel und der CDU-Zentrale unter Generalsek­retär Peter Tauber verlangen.

„Wir müssen aufpassen, dass es bei der SPD keine sich selbst erfüllende Prophezeiu­ng gibt und sich der Trend für Schulz verfestigt“, heißt es im Parteivors­tand. Die Warnung hat mindestens drei konkrete Gründe: Es sind die bis zur Sommerpaus­e anstehende­n drei Landtagswa­hlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Deswegen dringen manche in der CDU-Führungsri­ege darauf, dass Merkel und Tauber endlich stärker Themen setzen: Die innere Sicherheit etwa oder klare Kante gegen den türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan, der Merkel persönlich Nazi-Methoden vorwirft. Die Kanzlerin pocht in Hannover zwar erneut darauf, dass die NaziVergle­iche aufhören müssten – „und zwar ohne Wenn und Aber“. Was aber konkret folgt, wenn die Drohung nicht fruchtet, lässt Merkel offen. Bei vielen Wählern dürften da die Schulz-Worte besser ankommen: Er nennt Erdogans Vorwurf schlicht „eine Frechheit“.

Der SPD-Kandidat nehme die Menschen rhetorisch geschickt mit, wenn er zum Beispiel deren Globalisie­rungsängst­e aufnehme, heißt es in der CDU-Spitze. „Die Menschen wollen Emotionen sehen“, analysiert einer aus der Führungsri­ege um Merkel das Erfolgsrez­ept des Herausford­erers.

Von direkten Attacken auf Schulz halten Merkel und der engere Führungszi­rkel in der Partei aber wenig. Tauber gibt die Linie vor: „Wir können hart in der Sache streiten, aber wir werden Herrn Schulz nicht persönlich angreifen.“Das Kalkül: Ein Frontalang­riff würde die SPDReihen schließen und dem Kandidaten nutzen. Schulz werde sich schon selbst entzaubern.

Die Vorlage für einen kleinen Angriff liefert der SPD-Mann dann selbst: Weil er bei der nächsten Koalitions­runde am 29. März wegen eines SPD-Fraktionsf­ests nicht dabei sein will, hält ihm CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer Drückeberg­erei vor: „Im Koalitions­ausschuss hätte Schulz die Chance auf ganz konkrete politische Arbeit, aber ihm ist die SPD-Party wichtiger.“

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FOTO: ANDERSEN/AFP Routiniert lässt sich Angela Merkel mit Japans Regierungs­chef Shinzo Abe (r.) auf der Cebit einen Sensor für einen Bienenstoc­k zeigen. Viele in der Union wünschen sich von ihrer Spitzenkan­didatin mehr Attacke.

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