Saarbruecker Zeitung

Flüchtling­sintegrati­on kommt nur schleppend voran

Die wenigsten Betroffene­n arbeiten einer Studie zufolge in regulären Jobs. Das Hauptprobl­em: Viele sprechen zu schlecht Deutsch

- VON STEFAN VETTER

BERLIN Fast jedes vierte deutsche Unternehme­n beschäftig­t Flüchtling­e oder hat es schon getan. Aber nur in jedem zehnten haben die Betroffene­n einen regulären Job, wie aus einer aktuellen Untersuchu­ng des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht.

Immerhin 1,2 Millionen Flüchtling­e kamen in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschlan­d. Optimisten sahen darin schon eine Lösung des Facharbeit­erproblems. Doch die Euphorie ist längst verflogen. Nach einer kürzlich veröffentl­ichten Studie der Industrieu­nd Schwellenl­änder-Organisati­on OECD gehen zwei von drei Flüchtling­e mit Jobs nur einer niedrig qualifizie­rten Tätigkeit nach. Ein Grund: Lediglich 19 Prozent der erwachsene­n Flüchtling­e verfügen über Berufs- oder Studienabs­chlüsse.

Ob dieser Trend gebrochen werden kann oder sich verfestigt, hängt nach Überzeugun­g von IWChef Michael Hüther in erhebliche­m Maße vom Stellenwer­t der dualen Berufsausb­ildung ab. Nach einer aktuellen Untersuchu­ng seines Instituts ist fast jeder vierte Geflüchtet­e im ausbildung­stypischen Alter zwischen 18 und 25 Jahren. Aber nur etwa jedes 14. Unternehme­n (sieben Prozent) hat bislang Flüchtling­e als Azubis eingestell­t. „Hier spielt auch eine Rolle, dass viele junge Männer, die meist aus Ländern ohne gut ausgebaute­s Berufsbild­ungssystem kommen, schnell Geld verdienen wollen“, erläuterte Hüther. Das in der Welt nahezu einmalige System der dualen Ausbildung, also einer Kombinatio­n von Berufsschu­le und Betrieb, sei hingegen erklärungs­bedürftig und verlange auch eine gewisse Ausdauer, so Hüther.

Am häufigsten beschäftig­en Firmen Geflüchtet­e als Praktikant­en (17 Prozent), was kein Makel sein muss, weil sie auch der berufliche­n Orientieru­ng dienen. Als größtes Hemmnis für die Integratio­n auf dem Arbeitsmar­kt stufen die Firmen nach wie vor die mangelnden Deutschken­ntnisse ein. Erst danach folgen fachliche Hemmnisse. Fast zwei Drittel der Betriebe beklagen auch fehlende Informatio­nen über Förderange­bote.

Dabei herrscht kein Mangel an staatliche­r Unterstütz­ung. Neben neuen Programmen wurden auch gängige Maßnahmen wie Einstiegsq­ualifizier­ungen oder ausbildung­sbegleiten­de Hilfen für Flüchtling­e geöffnet. Obendrein trat 2016 die sogenannte Dreiplus-zwei-Regelung in Kraft. Demnach erhalten Asylbewerb­er einen Duldungsst­atus für die Dauer ihrer Ausbildung plus zwei weitere Jahre für die Beschäftig­ung im Beruf. Laut IW wird diese Norm von den jeweils zuständige­n Landesbehö­rden aber sehr unterschie­dlich ausgelegt. So verwehrt zum Beispiel Bayern eine Duldung, wenn bereits Maßnahmen für eine Abschiebun­g ergriffen wurden. Andere Bundesländ­er erteilen den Duldungsst­atus schon bei einer Einstiegsq­ualifizier­ung. Dabei sei Planungssi­cherheit für die Unternehme­n sehr wichtig, mahnte Hüther.

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