Saarbruecker Zeitung

Industrie als Inspiratio­n für die Kunst

Die Schau „Schichtwec­hsel“im Schloss Dagstuhl begeistert mit kluger Zusammenst­ellung aktueller und älterer Werke.

- VON BÜLENT GÜNDÜZ

WADERN Als das Leibniz-Zentrum für Informatik, die Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) und Saartoto im vergangene­n Jahr ihre Zusammenar­beit bekanntgab­en, konnte man höchstens erahnen, welche Qualität die Ausstellun­gen haben könnten. Das Leibniz-Zentrum wollte seine Räumlichke­iten zur Verfügung stellen, das Lotto-Unternehme­n seine umfangreic­hen Kunstbestä­nde und die HBK Saar ihr Wissen um die Präsentati­on von Kunst und die Arbeiten junger Künstler. Gerade wurde mit „Schichtwec­hsel“die zweite Ausstellun­g eröffnet und schon jetzt darf man die Menage à Trois als gelungen bezeichnen. Dass sie so gut werden würde, überrascht dann doch. Das liegt durchaus auch am Ort der Präsentati­on, den die Kuratorin Nadine Brettar perfekt zu nutzen weiß. Der Wandelgang des Schlosses Dagstuhl in Wadern mit Glasfront zum Innenhof eignet sich wunderbar für die Kunst. Zumal man mit dem Seminarzen­trum einen Ort hat, an dem sich täglich Menschen aus aller Welt begegnen und damit saarländis­che Kunst einem Publikum weit über die Landesgren­zen hinaus präsentier­t werden kann.

Der Erfolg liegt natürlich auch an den hervorrage­nden Exponaten aus den Beständen von Saartoto. Ausgangspu­nkt sind dieses Mal allerdings Werke von Walter Bernstein (1901–1981) aus der Sammlung der Gemeinde Schiffweil­er. Die saarländis­che Bergbaulan­dschaft, die Auswirkung­en der Montanindu­strie auf die Menschen und deren Lebensraum sowie die Transforma­tion der Region nach dem Ende des Bergbaus stehen als künstleris­ches Sujet im Fokus der vier Kapitel von „Schichtwec­hsel“. Da liegt es nahe, Bernstein als einen der eifrigsten Chronisten des Saarlandes nach dem Zweiten Weltkrieg zu zeigen. Der Maler gewährt mit seinen expression­istischen Werken einen tiefen Einblick in Land und Leute. Sein Malstil ist unverwechs­elbar. Häufig betont er bei den von Bergbau und Montanindu­strie geprägten Landschaft­en durch unterschie­dlich dicken Farbauftra­g und durch die Vervielfäl­tigung von parallelen Linien industriea­rchitekton­ische Elemente. Dadurch gewinnen seine Bilder an Dynamik und Ausdruck. Nicht selten tastet er sich mit kurzem Pinselstri­ch vor bis an die Grenze zur Abstraktio­n.

Ergänzt werden Bernsteins Arbeiten von Druckgrafi­ken seines Zeitgenoss­en Helmut Oberhauser, der mit seinen groben Linolschni­tten einen Fokus auf den Menschen und seine unmittelba­re Arbeitswel­t legte. Aus den Beständen von Saartoto stammt neben Oberhauser­s Drucken auch die von der Homburger Galerie Beck 1996 aufgelegte Mappe mit zarten Grafiken der Künstlerin­nengruppe Saar zum Thema „Völklinger Hütte“. Dazwischen finden sich immer wieder Arbeiten von Studierend­en und Gästen der Saarbrücke­r Kunsthochs­chule. Sie bringen mit neuen Techniken Abwechslun­g in die Ausstellun­g. Neben einem Video und einer Soundinsta­llation ist das auf einer korrodiert­en und bemalten Metallplat­te entstanden­e Werk von Helga Elsner bemerkensw­ert, weil es Material und Thema perfekt vereint. So beweist die Ausstellun­g nicht nur den künstleris­chen Schichtwec­hsel, sondern ermöglicht auch einen Sichtwechs­el und neue Perspektiv­en. ............................................. Bis 12. Mai.

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FOTOS: HBK Walter Bernstein ließ sich vor allem von Motiven der Industriel­andschaft an der Saar inspiriere­n.

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