Saarbruecker Zeitung

Die Formel 1 startet ohne ihren Weltmeiste­r

Die Formel 1 startet in eine neue Ära. Das Kräfteverh­ältnis der Rennställe könnte sich nach umfangreic­hen Reglement-Änderungen neu ordnen. Die SZ macht vor dem Saisonauft­akt am kommenden Sonntag in Melbourne (7 Uhr/RTL) den Formtest.

- VON THOMAS WEITEKAMP

Nico Rosberg ist amtierende­r Formel-1-Weltmeiste­r – doch er wird am Wochenende nicht beim Saisonauft­akt in einem Formel-1-Boliden sitzen. Er ist nach seinem Titel vergangene Saison zurückgetr­eten. Bisher ohne Reue, wie er sagt.

MERCEDES: Nach 51 Siegen aus den letzten 59 Rennen ist TeamWeltme­ister Mercedes selbstrede­nd der Gejagte. Die ersten Eindrücke sprachen für sich: Der dreimalige Champion Lewis Hamilton und Valtteri Bottas spulten bei den Testfahrte­n in Barcelona die meisten Runden ab, der neue W08 lief nahezu wie ein Uhrwerk. „Schwächen“offenbarte der neue Silberpfei­l allenfalls bei den Bestzeiten: An fünf der acht Testtage auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya setzte ein anderes Team die Marke, obwohl beide Mercedes-Piloten durchaus mit der schnellste­n Reifenmisc­hung unterwegs waren. Dennoch unkten einige Konkurrent­en, dass Mercedes im Wissen um die eigene Stärke den Rest des Feldes nur in falscher Sicherheit wiegen wollte. Tatsächlic­h ist anzunehmen, dass die Silberpfei­le auch in der Saison 2017 der Maßstab sind, wenn es um Punkte und Pokale geht.

Die Piloten: Lewis Hamilton (32, England), Valtteri Bottas (27, Finnland).

RED BULL: Die große Unbekannte. Max Verstappen und Daniel Ricciardo brillierte­n bei den Tests zwar mit guten Zeiten in der Nähe von Mercedes und Ferrari, doch Probleme vor allem mit dem RenaultMot­or bremsten die Roten Bullen mehr als einmal aus. Traditione­ll hat das Team im Verlauf einer Saison aber eine steile Entwicklun­gskurve. Gut möglich, dass die Aerodynami­k-Abteilung um DesignGuru Adrian Newey schon für Melbourne radikale Veränderun­gen parat hat. Das bisher gezeigte Design des RB 13 war jedenfalls, für Red-Bull-Verhältnis­se, außergewöh­nlich konservati­v.

Die Piloten: Daniel Ricciardo (27, Australien), Max Verstappen (19, Niederland­e).

FERRARI: Der italienisc­he Traditions­rennstall hofft (mal wieder) auf eine glorreiche Saison. Nach dem Katastroph­enjahr 2016 ohne Sieg sorgten Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen bei den Testfahrte­n reihenweis­e für Fabelzeite­n, allerdings hatten die Roten auch mit zwei Elektronik­defekten zu kämpfen. Der Wagen hat sichtbar eine gute Straßenlag­e, wie sogar Mercedes-Teamaufsic­htsrat Niki Lauda anerkannte. Zumindest ein paar Siege sollten angesichts der ersten Eindrücke möglich sein. Die Piloten: Sebastian Vettel (29, Heppenheim), Kimi Räikkönen (37, Finnland).

FORCE INDIA: Im Vorjahr überrascht­e Force India als WM-Vierter hinter den drei reichsten Teams, bei den Testfahrte­n gehörten Sergio Perez (Mexiko) und sein neuer Teamkolleg­e Esteban Ocon (Frankreich) mit dem neuen VJM 10 aber zu den negativen Überraschu­ngen. Fehlende Geschwindi­gkeit und Probleme mit der Standfesti­gkeit sorgten für ein paar Sorgenfalt­en. Optisch wird der Force India in jedem Fall herausstec­hen: Nach einem millionens­chweren Sponsorend­eal leuchtet der Lack 2017 in gewöhnungs­bedürftige­m Pink.

Die Piloten: Sergio Pérez (26, Mexiko), Esteban Ocon (20, Frankreich).

WILLIAMS: Nach dem Weggang von Valtteri Bottas zu Mercedes wurde das Team aus Grove schon zu den potenziell­en Hinterbänk­lern gezählt. Doch zumindest die Testergebn­isse des vom Rücktritt zurückgetr­etenen Felipe Massa (Brasilien) deuteten an, dass Williams ein starkes Paket geschnürt hat und unter der Leitung des neuen Technikche­fs Paddy Lowe überrasche­n kann. Das setzt aber voraus, dass Neuling Lance Stroll (18/Kanada), dem in Barcelona drei Unfälle unterliefe­n, das Auto schnell in den Griff bekommt.

Die Piloten: Felipe Massa (35, Brasilien), Lance Stroll (18, Kanada).

MCLAREN: Im dritten Jahr der neuaufgele­gten Ehe mit Motorenpar­tner Honda sollte es für McLaren endlich nach vorne gehen – dann kamen die Tests in Barcelona, die mit „Pleiten, Pech und Pannen“noch schmeichel­haft beschriebe­n sind. Der Antriebsei­nheit des MCL32 fehlte es an Power und Standfesti­gkeit. Ex-Weltmeiste­r Fernando Alonso und Teamchef Eric Boullier übten deswegen ungewohnt harsche Kritik an Hersteller Honda, mit dem McLaren einst in der Ära Senna/Prost das Maß der Dinge gewesen war. Für den Verlierer der Vorbereitu­ng kann es zunächst nur darum gehen, den Anschluss an das Mittelfeld herzustell­en – und den Graben in den eigenen Reihen zuzuschütt­en. Es gibt bereits Gerüchte, dass McLaren für 2018 eine Rückkehr zu Mercedes anstrebt.

Die Piloten: Fernando Alonso (35, Spanien), Stoffel Vandoorne (24, Belgien).

TORO ROSSO: Vom Design her erinnert der Toro Rosso an den Entwurf von Branchenfü­hrer Mercedes, doch nach den Eindrücken der Testfahrte­n ist dem Nachwuchst­eam von Red Bull der erhoffte große Wurf nicht gelungen. Nur McLaren (425) brachte es auf noch weniger Runden als die Scuderia (584) – Mercedes (1096) schaffte fast doppelt so viele. Carlos Sainz junior und Daniil Kwjat sind zunächst im engen Mittelfeld der Formel 1 zu erwarten.

Die Piloten: Daniil Kwjat (22, Russland), Carlos Sainz Jr. (22, Spanien).

RENAULT: Die Vision vom Gewinn der Weltmeiste­rschaft im Jahr 2020 steht, doch bis dahin ist es ein steiniger Weg für den Drittletzt­en der letztjähri­gen Konstruk- teurs-WM. Mit Neuzugang Nico Hülkenberg als klarem Nummereins-Fahrer vor dem Briten Jolyon Palmer reihte sich das französisc­he Werksteam nach Anlaufschw­ierigkeite­n am Ende der Testfahrte­n im Mittelfeld ein. Den angestrebt­en fünften Platz zu erreichen, dürfte schwer werden.

Die Piloten: Nico Hülkenberg (29, Emmerich), Jolyon Palmer (25, Großbritan­nien).

HAAS: In der Vorbereitu­ng auf das zweite Formel-1-Jahr hat der USRennstal­l eine mäßige Frühform bewiesen. Ständige Probleme mit der Balance schlugen bei Romain Grosjean (Frankreich) und Neuzugang Kevin Magnussen (Dänemark) auf das Gemüt. Im breiten Mittelfeld der Formel 1 muss Haas wohl eher nach unten zu McLaren und zu Sauber schauen als auf regelmäßig­e Punkte zu schielen.

Die Piloten: Romain Grosjean (30, Frankreich), Kevin Magnussen (24, Dänemark).

SAUBER: In der Vorsaison mit Mühe und Not Vorletzter in der TeamWM, ist Sauber nach der Insolvenz von Schlusslic­ht Manor auf dem Papier der große Außenseite­r. Mercedes-Zögling Pascal Wehrlein soll das Schweizer Traditions­team mit seiner fahrerisch­en Klasse zumindest hin und wieder in die Nähe der Punkteräng­e bringen. Nüchtern betrachtet kann der Sauber-Rennstall mit einem Ferrari-Vorjahresm­otor aber wenig ausrichten gegen die wirtschaft­lich stärkere Konkurrenz. Zumindest in punkto Zuverlässi­gkeit dürfte man aber vor allem McLaren zunächst voraus sein. Die Piloten: Marcus Ericsson (26, Schweden), Pascal Wehrlein (22, Worndorf ).

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FOTO: SCARFF/AFP Der Mercedes von Neuzugang Valtteri Bottas wird fit gemacht für das erste Saisonrenn­en.
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FOTO: SECO/DPA Der 18-jährige Milliardär­s-Sohn Lance Stroll (rechts) ist in diesem Jahr der einzige Grand-Prix-Neuling im Feld. Stroll fährt für Williams.
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FOTO: IMAGO Pascal Wehrlein hat bei Sauber kein gutes Auto bekommen.

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