Saarbruecker Zeitung

Ein Anschlag auf Londons Machtzentr­ale

Mitten im Zentrum der britischen Hauptstadt rast ein Auto zuerst in eine Menschengr­uppe, dann attackiert der Angreifer einen Polizisten.

- VON KATRIN PRIBYL

LONDON Es sind Bilder des Schreckens, die am frühen Mittwochna­chmittag über die sozialen Netzwerke und Nachrichte­nsender aus London in die Welt gehen: Verletzte liegen blutend am Boden, Menschen rennen aus Todesangst in alle möglichen Richtungen, manche springen in Panik in die Themse, um sich in Sicherheit zu bringen. Und im Hintergrun­d ragen ausgerechn­et die größten Wahrzeiche­n der britischen Hauptstadt empor: der Westminste­r-Palast mit dem weltberühm­ten Glockentur­m Big Ben.

Der Terror hat London gestern im Herzen getroffen und umso schockiert­er reagierte die Stadt. Mindestens vier Menschen verloren ihr Leben, darunter auch der Attentäter und ein Polizist. Rund 20 sind laut Behörden verletzt worden. Einige hätten „schrecklic­he“Verletzung­en erlitten, hieß es von einem der Ärzte. Anfangs herrschte noch Verwirrung um die Anzahl der Vorfälle. Doch offenbar ereigneten sich kurz hintereina­nder zwei Attacken. So war laut Augenzeuge­n ein Mann in einem Geländewag­en auf der Westminste­r-Brücke auf den Rad- und Gehweg gerast und habe rund ein Dutzend Passanten und Fahrradfah­rer umgefahren, darunter auch französisc­he Schulkinde­r. Danach sei der Geländewag­en in das Gitter von Westminste­r gekracht und zum Stillstand gekommen. Mindestens zehn Menschen wurden verletzt, eine Frau starb.

Nur einige Meter entfernt stach den bisherigen Ermittlung­en nach derselbe Angreifer auf dem Parlaments­gelände mit einem Messer auf einen Polizisten ein, der kurz darauf seinen Verletzung­en erlag. Beamte haben den Angreifer erschossen, wie Medien berichtete­n. „Wir behandeln dies als einen terroristi­schen Vorfall, bis wir etwas anderes wissen“, teilte der nationale Krisenkoor­dinator von Scotland Yard mit. Zum genauen Ablauf oder zu mögli- chen Hintergrün­den der Tat hatte die Polizei bis zum frühen Abend nicht Stellung genommen.

Das Parlaments­gebäude wird rund um die Uhr von bewaffnete­n Polizisten bewacht. Experten meinten, nur deshalb habe der Angriff so schnell beendet werden können. Der Polizist, der von dem Angreifer mit dem Messer niedergest­ochen wurde, starb.

Den ganzen Nachmittag und Abend herrschte Chaos rund um das Regierungs­viertel. Der Busverkehr war eingestell­t, die UBahnstati­on Westminste­r blieb gesperrt. Die Nervosität war spürbar – bei den Schaulusti­gen, den Beamten, den aus den Gebäuden eilenden Regierungs­mitarbeite­rn. Die Attacke in London wurde auf den Tag genau ein Jahr nach islamistis­chen Attacken in Brüssel verübt. Am 22. März 2016 rissen drei Selbstmord­attentäter am Flughafen der belgischen Hauptstadt und in der UBahn-Station Maelbeek im Europavier­tel 32 Menschen mit in den Tod.

Gestern in London waren die Abgeordnet­en über Stunden angehalten, im geschlosse­nen Unterhaus zu bleiben, bis es Entwarnung gab und sie durch einen Hinterausg­ang den Westminste­r-Palast verlassen konnten. Besuchergr­uppen eilten in Richtung naheliegen­der U-BahnStatio­nen, darunter viele Deutsche. Eine Schulklass­e aus der Nähe von Stuttgart war nur wenige Minuten zuvor noch über die Westminste­r-Brücke spaziert, nun meldeten sich am Telefon besorgte Eltern. Mehr als eine Stunde nach dem Angriff wurde außerdem eine Frau, von der man annahm, dass sie sich während des Angriffs auf der Brücke befunden hat, mit schweren Verletzung­en aus der Themse gezogen.

Nur kurze Zeit nach der Attacke legte sich eine bedrückend­e Stille über die weiträumig abgesperrt­e Gegend um Westminste­r, lediglich durchbroch­en vom Kreisen eines Hubschraub­ers in der Luft. Ist es vorbei? Die Frage trieb gestern die Londoner, Abgeordnet­en und Touristen um. Premiermin­isterin Theresa May, die vom Parlament in den Regierungs­sitz in der Downing Street gebracht wurde, berief für gestern Abend eine Krisensitz­ung des Sicherheit­sstabs ein. Das schottisch­e Regionalpa­rlament verschob wegen der Ereignisse seine Debatte über ein weiteres Unabhängig­keitsrefer­endum.

„Wir behandeln dies als einen terroristi­schen Vorfall, bis wir etwas anderes wissen.“Scotland Yard

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FOTO: HALLE’N/AFP Die Rettungskr­äfte von London versorgten gestern auf der Westminist­erBrücke Opfer des Anschlags.

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