Saarbruecker Zeitung

Wann Medien die Täterherku­nft nennen dürfen

Die Diskrimini­erungsrich­tlinie im Pressekode­x ist umstritten. Jetzt wurde sie geändert – ein wenig. Zu wenig?

- VON ANDREAS HEIMANN

BERLIN (dpa) Es gibt schwierige Fragen, die sich immer wieder stellen. Zum Beispiel, als Anfang Dezember die Festnahme eines Tatverdäch­tigen im Fall der getöteten Studentin in Freiburg bekannt wurde. Der Staatsanwa­lt hatte erklärt, ein 2015 aus Afghanista­n eingereist­er 17-jähriger Flüchtling sei in Untersuchu­ngshaft genommen worden. Dem jungen Mann wurden Vergewalti­gung und Mord vorgeworfe­n. Aber sollten Medien alle diese Informatio­nen nennen? Oder würde das Vorurteile gegen Flüchtling­e schüren? Nur bei einem „begründbar­en Sachbezug“war es laut der bisherigen Richtlinie 12.1 im Pressekode­x gerechtfer­tigt, Angaben zur Herkunft von Straftäter­n zu machen. Umstritten ist die Formulieru­ng schon lange.

Von Seiten der Medien, die sich an den Pressekode­x halten sollen, war regelmäßig der Hinweis gekommen, die Formulieru­ng sei ungenau, lasse viel Interpreta­tionsspiel­raum zu und helfe im Berufsallt­ag nicht weiter. Denn was heißt schon „begründbar­er Sachbezug“?

Nun hat der Deutsche Presserat sie überarbeit­et – und eine neue Fassung der Kodex-Richtlinie 12.1 beschlosse­n. Hier heißt es jetzt, die Zugehörigk­eit von Straftäter­n oder Verdächtig­en zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheit­en solle in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es bestehe ein begründete­s öffentlich­es Interesse.

Eine 180-Grad-Wende sei die Neufassung der Richtlinie nicht, sagte der Medienpsyc­hologe Frank Schwab von der Universitä­t Würzburg, der im vergangene­n Jahr als einer der Experten bei der Plenumssit­zung des Presserats für die Beibehaltu­ng der Richtlinie plä- diert hatte. „Die Stärke sind die flankieren­den Sätze, der Schwachpun­kt ist das „begründete öffentlich­e Interesse““, sagte Schwab. Denn in welchen Fällen man die Herkunft nun nennen dürfe, sei damit immer noch nicht klar. Allerdings sei der Pressekode­x schließlic­h auch nicht das Strafgeset­zbuch. „Die Richtlinie fordert dazu auf, zu reflektier­en, was man tut und seine Entscheidu­ng zu überdenken.“Grundsätzl­ich halte er es nach wie vor für richtig, sich an die Richtlinie zu halten, sagte der Medienpsyc­hologe. „Zu Diskrimini­erungen kommt es sehr schnell.“

Frank Überall, Vorsitzend­er des Deutschen Journalist­en-Verbands, findet die Überarbeit­ung ebenfalls gut. Die Formulieru­ng „begründbar­er Sachbezug“sei eine sperrige, juristisch­e Vokabel, unter der sich Nichtjuris­ten wenig vorstellen könnten. Mit der Neuformuli­erung sei das Problem aber nicht völlig gelöst. Überall wiederholt­e seine Forderung nach einer „Sammlung von Leitsätzen“aus der Praxis. Presserats­sprecher Manfred Protze kündigte entspreche­nde Leitsätze auf der Basis bisheriger Presserats­entscheidu­ngen im Lauf der kommenden Monate an.

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