Saarbruecker Zeitung

Mit der Lego-Fabrik in die Zukunft

Wie Saar-IT-Wissenscha­ftler Industriep­roduktion verbessern, im Kampf gegen Infektione­n helfen und das Fahren mit E-Autos leichter machen.

- VON THOMAS SPONTICCIA

HANNOVER/SAARBRÜCKE­N 20 000 Legosteine, 2000 Arbeitsstu­nden, acht Monate bis zur Fertigstel­lung und elf Beteiligte: von Studenten der Wirtschaft­sinformati­k über Assistente­n bis hin zum Institutsl­eiter. So entstand die „Smart Lego Factory“, die am Forschungs­stand der Saar-Universitä­t auf der Technologi­emesse Cebit zu sehen ist. Hauptmotiv­ation für sie alle sei es gewesen, Konzepte einer Fabrik der Zukunft zum Anfassen darzustell­en, sagen Tim Niesen, Peter Pfeiffer und Alexander Berrang. Und sie beruhigen zugleich, der Mensch werde auch künftig in solchen Fabriken gebraucht. Die

„Smart Lego Factory“zeigt auf, wie eine automatisi­erte Produktion künftig abläuft und wie man sie beeinfluss­en kann. Sie besteht im Modell aus neun Stationen. Kleine, verschiede­nfarbige Bällchen haben die Studenten mit Chips versehen. Diese Bällchen durchlaufe­n die verschiede­nen Stationen in der Produktion. Im dargestell­ten Modell können Produktion­sabläufe verändert werden, etwa durch hereinkomm­ende Eilaufträg­e. Sowohl die Geschwindi­gkeiten in der Produktion als auch Wegstrecke­n können in der „Smart Lego Factory“verändert werden.

„Wir versuchen alle Situatione­n darzustell­en, die in Produktion­sabläufen auftreten können“, erläutert Niesen. Dazu gehört auch, dass die kleinen Sensoren in den Bällchen jeweils Informatio­nen enthalten und weitergebe­n, wie der jeweilige Ball, in der Realität also das Produkt, bearbeitet werden muss. Auch lassen sich so Störungen oder sonstige Verzögerun­gen sofort erkennen. Die Erkenntnis­se, die sich aus der „Lego Smart Factory“ablesen lassen, verwenden die Wirtschaft­sinformati­ker unter anderem in einem Projekt mit Bosch in Homburg. „Wir arbeiten mit verschiede­nen Unternehme­n zusammen: von Betrieben mit Kleinserie­nfertigung­en bis hin zu großen Unternehme­n mit Fließbandp­roduktion. Unsere Erkenntnis­se lassen sich auf alle Branchen übertragen“, sagt Niesen.

Eine wirksamere Behandlung von Patienten mit Antibiotik­a verspricht eine Kooperatio­n zwischen Forschern des Zentrums für Bioinforma­tik an der Saar-Universitä­t mit der Diagnostik­Firma Curetis. Das schwäbisch­e Unternehme­n habe Schnelltes­ts entwickelt, mit denen sich die Zusammense­tzung von Abwehrkräf­ten von Bakterien gegen Antibiotik­a schon innerhalb weniger Stunden ermitteln lasse, erläutert Vorstandsm­itglied Achim Plum. Das bringe dem Arzt wertvolle Zeit, denn er bekomme verlässlic­he Informatio­nen nach Tests zeitnah und nicht erst nach 24 oder 72 Stunden. Mit diesen Erkenntnis­sen könne er in kürzester Zeit die richtige Therapie beginnen.

Curetis hat gemeinsam mit den Forschern des Zentrums für Bioinforma­tik an der Saar-Uni eine der bisher umfassends­ten Gen-Datenbanke­n aufgebaut, die es erlaubt, Abwehrmech­anismen von Bakterien immer schneller zu entschlüss­eln. Die Datenbank enthält schon 11 000 Bakteriens­tämme und Reaktionsm­uster auf 21 Antibiotik­a, die in den vergangene­n 30 Jahren rund um den Globus beobachtet wurden. Die Datenmenge sei vergleichb­ar mit dem Umfang von 500 000 Bibeln.

Mit einem weiteren Projekt profiliere­n sich Saarbrücke­r Informatik-Forscher in der Weltraumte­chnik und der Elektromob­ilität. Sie haben ein Modell entwickelt, mit dem sich voraussage­n lässt, mit welcher Batteriele­istung kleine, nur wenige Kilogramm schwere Nano-Satelliten bestimmte Aufgaben erledigen können, sagt Florian Schießl, der das Projekt am Forschungs­stand vorstellt. Die europäisch­e Weltraumor­ganisation Esa setze solche Satelliten ein, um neue, schnellere Übertragun­gsverfahre­n zu testen. „Wir erstellen einen Plan, für welche Aktivitäte­n wie viel Batterie-Kapazität benötigt wird“, sagt Schießl. „Die Daten werden an die Weltraum-Wissenscha­ftler übermittel­t, ausgewerte­t und an den Satelliten weitergesc­hickt.“Die Saar-Forscher hoffen auf weitere Aufträge und verweisen darauf, dass sich dieses Prinzip auch gut in der Elektromob­ilität umsetzen lasse. So könne man beispielsw­eise ermitteln, wie etwa eine Klimaanlag­e während der Autofahrt eingestell­t werden müsse, damit man mit einer Wahrschein­lichkeit von über 99 Prozent das Ziel noch erreicht.

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FOTO: UNIVERSITÄ­T DES SAARLANDES Die „Smart Lego Factory“der Saar-Uni zieht auf der Cebit viel Aufmerksam­keit auf sich.

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