Meister an der Gitarre
Der US-Label Relapse Records präsentiert seine Frühjahrsneuheiten mit King Woman, The Obsessed und Obituary
The Shins „Heartworms“(Aural Apothecary/ Columbia/Sony Music): Fünf Jahre sind seit dem letzten The Shins-Album „Port Of Morrow“verstrichen. Jetzt hat das Warten ein Ende. James Mercer schrieb und produzierte die neuen Songs fast alleine, assistiert wurde er lediglich bei der Produktion eines Liedes von Richard Swift. The Shins ist mehr denn je Mercers Soloprojekt. Die Entwicklung, die er auf
„Port Of Morrow“andeutete, führt er konsequent fort: „Heartworms“ist nochmals luftiger und noch mehr Pop. Die Gitarre kann sich selten durchsetzen. Schöne Lieder gibt es noch: der Opener „Name Of You“, das schlurfige „Dead Alive“und der famose Albumabschluss „The Fear“, in dem Akustikgitarre und Mundharmonika zu hören sind. Das US-Label Relapse Records, ein Spezialist für die extremeren Spielarten der Gitarrenmusik, bläst zur Frühjahrsoffensive. Die Labelmacher vertrauen dabei dem Debüt von King Woman sowie den neuen Alben der alteingesessenen Bands The Obsessed und Obituary.
Beginnen wir mit den Newcomern King Woman. Deren Frontfrau Kristina Esfandiari hatte King Woman im Jahr 2009 als Soloprojekt gegründet. Mit der Zeit wurde daraus ein festes Quartett. Eilig hatten sie es scheinbar nicht, ihr erstes Album zu veröffentlichen. Doch so konnten sie in Ruhe jahrelang an ihrem Sound Newcomer King Woman ziehen ihre Hörer mit leidenschaftlicher Stimme und düsterer Stimmung in ihren Bann. feilen. Der zieht seine Einflüsse aus dem verschlafenen (nicht schläfrigen!) Alternative Rock von Mazzy Star (mit Sängerin Hope Sandoval) und schleichendem Doom Rock im Allgemeinen. Diese Stil-Kombination in Verbindung mit Esfandiaris leidenschaftlicher Stimme macht „Created In The Image Of Suffering“(Relapse/ Rough Trade
) zu einem außergewöhnlichen Album, dessen düstere, nie aber lähmende Stimmung den Hörer in seinen Bann zieht.
Die Musik von The Obsessed ist um einiges energiegeladener. Die Band von Scott „Wino“Weinrich, der auch Frontmann der Doom-Legende Saint Vitus ist, feierte im letzten Jahr in runderneuerter Besetzung ihr zweites Comeback. „Sacred“(Relapse/Rough Trade
) ist das erste Album seit dem 1994 auf dem früheren Berliner Doom-Label Hellhound veröffentlichten „The Church Within“.
Wino und seine Begleiter pflegen heute einen erfrischenden Heavy Rock-Stil, mit dem sie sich oft genug aus ihrer einstigen Nische Stoner/Doom Rock wagen. Die Songs klingen frisch, kraftvoll und selbstbewusst. Insofern kann der Band keineswegs vorgeworfen werden, nur ihr Erbe verwalten zu wollen.
Gegenüber King Woman und The Obsessed sind Obituary eine Dampfwalze mit Turbomotor. Ihre Songs sind hart und schnell. Eigenschaften, die für Bands aus dem Death Metal- Genre keine Seltenheit sind. Mit ihrem vollends überzeugenden letzten Album „Inked In Blood“(2014) kann „Obituary“(Relapse/Rough Trade ) zwar nicht ganz mithalten. Besser als viele andere Alben aus diesem Genre ist „Obituary“aber allemal.
Die Gitarrenarbeit von Trevor Peres und Kenny Andrews ist filigran und ihr Sound unverwechselbar, die Rhythmus-Sektion um Florida-Death-Metal-Ikone Terry Butler (Bass) und Donald Tardy (Schlagzeug) arbeitet präzise, während John Tardys unmenschliches Grollen immer noch das markanteste Kennzeichen des Obituary-Sounds ist. Hätte dieses Album zusätzlich zu den taktisch unklug ganz am Anfang der Platte positionierten Hits „Brave“und „Sentence Day“noch ein, zwei Ohrwürmer mehr zu bieten, stünde es mit „Inked In Bood“auf einer Stufe.
Kreative Köpfe: Die Allstar-Band Crystal Fairy hat ihr gleichnamiges Album in nur wenigen Tagen komponiert Allstar-Band – Klappe, die nächste. Erneut hat sich eine Allstar-Band gegründet. Diesmal taten sich Sängerin Teri Gender Bender, Mitglied von Le Bucherettes, ihr Lebensgefährte Omar Rodriguez-Lopez, bekannt von The Mars Volta und At The Drive-In, und die MelvinsMusiker Buzz Osborne und Dale Crover zusammen. Ihr gemeinsames Baby haben sie Crystal Fairy getauft. Ihr selbstbetiteltes Debüt „Crystal Fairy“(Ipecac/PI- AS/Rough Trade) erschien Ende Februar.
Die Initialzündung fand während einer gemeinsamen Tournee der Melvins und Le Butcherettes statt. Sie entfachte alsbald ein regelrechtes Feuer. Innerhalb weniger Tage – der erste Song wurde angeblich in nur 40 Minuten geschrieben – waren die Songs komponiert. Aufgenommen wurden sie an einem einzigen Tag. Wohl deshalb wohnt ihnen auch diese rohe, ungezügelte Energie inne. Benders böser bis exaltierter Riot Grrrl- Gesang passt perfekt zu der Noise/Stoner-RockDampfwalze, die ihre drei männlichen Kollegen in Melvins-Manier hinter ihr aufbauen. Crystal Fairy können auch anders, wenn sie wie in „Moth Tongue“dem Alternative Rock den Vortritt lassen oder in dem eingängigen „Necklace Of Divorce“Stoner- mit Hardrock verknüpfen. Fantastisch ist übrigens, wie Rodriguez-Lopez dem tasmanischen Teufel Taz gleich die Basssaiten malträtiert (siehe „Chiseler“). „Crystal Fairy“ist lebendig, wild und spannend und je öfter das Album läuft, desto besser wird es. kfb