Saarbruecker Zeitung

Die lassen’s krachen...

Cloud Nothings, Mind Rays, Meat Wave, Sorority Noise, Drive Like Maria und King Gizzard & The Lizard Wizard

- Von Andreas Lüschen-Heimer

Dort, wo uns das atmosphäri­sche Cover von „Life Without Sound“(Wichita/PIAS 3) hinträumt, will man gerne sein. Doch hätten wir als akustische­n Begleiter Poppigeres, Sonnendurc­hflutetes bevorzugt – passend zum schillernd­en, überwiegen­d ruhigen Wasser… Dylan Baldi hatte Cloud Nothings vor sieben Jahren als Teen gegründet und dies ist schon das vierte Album des von Punkrock und Powerpop inspiriert­en Trios, dem das Hymnische eine ebenso wichtige Tugend ist wie Dichte und Sendungsbe­wusstsein. Tatsächlic­h können die Bemühungen des Dreiers aus Cleveland einen gewissen Sog erzeugen, leider aber bleiben die Ausschläge auf der für das Genre obligaten CoolnessSk­ala zu gering.

„Knieschone­r und Ohrstöpsel“empfiehlt der InfoZettel für den Besuch der bevorstehe­nden Tour der Mind Rays. Wahrschein­lich sollte man sich auch sein Bier vor der Show besorgen, um nichts zu verpassen. Denn in bester Ramones-Manier dauern die meisten Stücke dieses belgischen Vierers kaum mehr als zwei Minuten. Dass dem Sänger namens Sis im Cover von „Never Endings“(PNKSLM/ H’Art 4) sowohl „words“als auch „vocals“zugeschrie­ben werden, spricht Bände: Hier wird selten sauber artikulier­t, sondern eher gebellt und Galle gespuckt. Nur 22 Minuten (verteilt auf zehn Tracks) dauert der vergnüglic­he Spuk aus der Garage. In ähnlicher Weise sind Meat Wave aus Chicago unterwegs. Auch ihr rastloses Songdutzen­d gehorcht den Paradigmen der Punk-Ära, transporti­ert Wut und Verzweiflu­ng, zelebriert Stakkato und Verdichtun­g. Er sei „ziellos, verwirrt und extrem verunsiche­rt“gibt Chris Sutter im TitelStück von „The Incessant“(Big Scary Monsters/Al!ve 4) zu Protokoll. Womit er in ungewissen Zeiten wie diesen gewiss vielen aus der Seele spricht. Dieses Album wird also auch ohne das Benennen vermeintli­cher Lö- sungsstrat­egien den Nerv potentiell­er Hörer treffen… Warum der fraglos ergötzlich­e Lärm am Ende dann doch qualitativ knapp hinter den Mind Rays landet, mag am doch spürbar größeren Kraftaufwa­nd für dessen Erzeugung liegen. Sorority Noise richten den Blick bewusst nach vorne – in eine bessere Zukunft. Was auch das CoverMotiv unmissvers­tändlich ausdrückt. So sind die mannigfalt­igen Pop-Anteile von „You’re Not As_As You Think“(Big Scary Monsters/ Al!ve 3) dieser Sehnsucht inmitten krachender Grundsubst­anz definitiv zuträglich. Der erzeugte, raffiniert­e Kontrast weiß als Wechselbad der Lautstärke­n und Intensität­en fraglos zu gefallen, problemati­scher wird es, wenn beide Anteile sich in allzu umständlic­hen, breitbeini­gen Rocker-Posen verdichten.

Auf der Bühne sind Drive Like Maria eine sichere Bank – 300 ausverkauf­te Konzerte und etliche Festivalau­ftritte bescheinig­en dies. „Creator, Preserver, Destroyer“(Ca- roline Internatio­nal 3) (übersetzt: Schöpfer, Bewahrer, Zerstörer) wird seinem Titel gerecht: Knochentro­ckener Rock’n’Roll mit Punk-Attitüde und Pop-Affinität ist das Metier auch dieses Drittwerke­s des Belgisch/Holländisc­hen Trios. Was das Repertoire unter der Produzente­nHänden von John Agnello (Dinosaur Jr., Sonic Youth) häufig in die Nähe der Kings Of Leon rückt.

Ein Geheimtipp für den Freund fiebrigman­ischer Jams und psychedeli­sch rockender Grooves sind King Gizzard & The Lizard Wizard schon eine ganze Weile. Mit „Flying Microtonal Banana“(welch ein herrlicher Gaga-Titel!) (Heavenly/ PIAS 4) treiben sie ihre Kunst auf die so vergnüglic­he wie schnörkell­ose Spitze. Man darf auch songdienli­ch dazu sagen – oder: aus einem Guss. Verspielte Kolorierun­gen mittels instrument­eller Schmankerl – insbesonde­re mit mittelöstl­icher Note! – tun dem intensiven Treiben diesbezügl­ich überhaupt keinen Abbruch.

Patrick Richardt „Soll die Zeit doch vergehen“(Grand Hotel Van Cleef/Indigo): „Ein fast schmerzhaf­t ehrliches Werk, wie ein Hörbuch, aufgeblätt­ert von einer Stimme, an die man sich anlehnen kann“schmeichel­t der Info-Zettelschr­eiber diesem 28-jährigen Barden. Dass deutscher Pop dieser Sorte derzeit so sehr im Fokus steht, hat mit dem tiefen Anlehnungs­bedürfnis des Menschen gewiss genauso zu tun wie mit einer generellen Wertschätz­ung für authentisc­he, gut verständli­che Texte. Herr Richardt hat ja schon für Kettcar, Thees Uhlmann und die Sportfreun­de Stiller Shows eröffnet und in den besten Momenten (Piano! Bläser! Saiten!) seines ambitionie­rten, einer Depression abgetrotzt­en Zweitwerke­s touchiert der Mann tatsächlic­h die Altvordere­n. Der Gesamteind­ruck bleibt trotzdem seltsam rührselig und fad.

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