Die Ära Wendelin von Boch geht zu Ende
Vorstand und Aufsichtsrat von V&B haben den erfolgreichen Unternehmer gestern in der Hauptversammlung in die Rente verabschiedet.
MERZIG Kleinaktionär Otto Krennrich ist aus Trier zur Hauptversammlung von Villeroy & Boch gekommen. Der 81-Jährige sieht das Unternehmen „gut aufgestellt für die Zukunft“, sagt er unserer Zeitung vor dem Beginn der Versammlung. Sie wird zum glanzvollen Abschluss einer 50-jährigen Ära von Wendelin von Boch in verschiedensten Funktionen im Unternehmen, zuletzt als Chef des Aufsichtsrats. Krennrich sieht den langen Erfolg von V&B in der Struktur als familiengeführtes Unternehmen über viele Generationen hinweg. Da wisse man, was auf dem Spiel steht und achte eher auf Nachhaltigkeit statt auf kurzfristigen Erfolg, sagt Krennrich. Wendelin von Boch (75) habe dazu einen besonders großen Beitrag geleistet.
Auch Aktionär Walter Raber (71) aus Nalbach will den Abschied von Wendelin von Boch persönlich miterleben. Raber ist ein Jahr später als Wendelin von Boch ins Unternehmen gekommen, ging dann 2003 als Leiter für Controling Tischkultur in Rente. Raber sagt über Wendelin von Boch: „Ich habe eine klare Meinung über ihn. Aus meiner Sicht ist er einer der fähigsten Manager weltweit, weil er über ein extrem analytisches Denkvermögen verfügt, mit hoher Tatkraft arbeitet und Nachhaltigkeit im Handeln für eine der wesentlichsten Voraussetzungen zum Erfolg hält.“
Auf diese Nachhaltigkeit kommt Wendelin von Boch in seiner Abschiedsrede später selbst zu sprechen: „Erfolgsvoraussetzung für V&B war immer der Zusammenhalt der Familie, unser hohes Engagement, hervorragende Mitarbeiter, Innovationskraft, Durchhaltewillen und kein Denken in Quartalen.“An die Aktionäre gewandt sagt von Boch. „Wegen der Nachhaltigkeit sind ja auch sicherlich die meisten von Ihnen Aktionär von uns geworden.“Vor seiner Funktion als Aufsichtsrat hat er selbst als Vorstandschef an der Spitze zehn Jahre die Geschicke des Unternehmens entscheidend bestimmt. Ein Mann, der es trotz Herzbluts für erfolgreiche neue Trends und entsprechende Produkte aus dem Hause V&B dann tatsächlich doch geschafft habe, mit dem Wechsel in den Aufsichtsrat loszulassen vom operativen Geschäft, sagt sein Nachfolger als Vorstandschef, Frank Göring. „Damit hatten nicht alle im Vorstand gerechnet“, sagte er vor den Aktionären.
Doch auch als Chef des Aufsichtsgremiums sei Wendelin von Boch in der Sache ein knallharter Gesprächspartner geblieben. „Ich musste immer tipptopp vorbereitet sein“, bekennt Göring, der den staunenden Aktionären verrät, wo die beiden Spitzenmanager zuweilen auch zu ihren weiterführenden Erkenntnissen gekommen sind: gemeinsam vor der Glotze beim Betrachten eines Fußballspiels in der Champions League. Wie gut die beiden miteinander können, obwohl sie häufiger wohl gegensätzlicher Meinung waren, zeigt sich auch an der frotzelnd und vorsichtig formulierten Frage von Göring: „Als Coach und Berater stehen Sie mir doch auch künftig noch zur Verfügung?“Worauf Wendelin von Boch keine Sekunde mit seiner Antwort zögert: „Hören Sie denn dann auch auf mich?“
Luitwin Gisbert von Boch-Galhau, Sprecher des Gesellschafterausschusses, selbst seit über 60 Jahren im Unternehmen, dankt Wendelin von Boch im Namen der Familie. „Dein Einsatz und Deine Tatkraft haben die Tischkultur von V&B zu einer Weltmarke gemacht.“
Auch die Sprecher der Aktionäre haben in ihren Beiträgen in der Versammlung diesmal so gut wie nichts auszusetzen am Unternehmen. Das verwundert nicht, denn das Geschäftsjahr 2016 war in nahezu allen Bereichen national wie international von positiven Nachrichten und mehr Wachstum für V&B geprägt. Die Dividende soll 48 Cent je Stammaktie und 53 Cent je Vorzugsaktie betragen. Die weiteren Geschicke des Traditionsunternehmens wird Yves Elsen, Präsident der Universität Luxemburg, als neuer Aufsichtsratschef im Auge behalten.