Saarbruecker Zeitung

Ihr schönstes Erlebnis war ein Blütenbad

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Marlene Heitzmann.

- VON DIETER GRÄBNER über die Verstorben­e Marlene Heitzmann

VÖLKLINGEN Marlene Heitzmann, geborene Schneider, ist die Tochter von Stefan Schneider, der auf der Hütte in Völklingen arbeitete, und seiner Frau Maria. Tochter Marlene wurde 1932 geboren. Sie ist die Zweitjüngs­te von zehn Geschwiste­rn. Drei Kinder starben noch während der Kriegszeit.

Sieben Kinder und die Eltern Stefan und Maria Schneider – es war eine Großfamili­e, die in sehr engen Verhältnis­sen in einem angemietet­en Siedlungsh­äuschen, 80 Quadratmet­er Wohnfläche, drei Zimmer, Küche, Bad, in Völklingen lebte. Tochter Marlene wurde 1938 in Völklingen eingeschul­t, besuchte dann die Realschule in Völklingen, die sie mit der Mittleren Reife abschloss. Sie hat fünf Brüder und musste ihrer Mutter Maria im Haushalt helfen. Die fünf Brüder konnten ihre Berufsausb­ildungen abschließe­n. Tochter Marlene konnte nach der Realschule keine Berufsausb­ildung beginnen. Sie half im Haushalt, wo sie konnte: „Sie war mit Leib und Seele Hausfrau. Sie kochte gerne. Die Familie hatte schon in den 50er-Jahren einen eigenen Fernseher. Es kamen deswegen Freunde und Nachbarn zum Gucken zu uns,“, erzählt Tochter Hildegard, Jahrgang 1955.

Sie, ihre Schwestern Steffi, Jahrgang 1961, und Schwester Tanja, Jahrgang 1969, und ich sitzen zusammen und reden über die Mutter einer Großfamili­e, die alles organisier­en und planen konnte und musste: „Unsere Mutter Marlene war der gute Geist im Haus. Sie konnte einfach alles. Auch häkeln und stricken. Unsere Eltern hatten ja auch nie viel Geld. “

1954, sie war nun 22 Jahre alt, lernte Tochter Marlene in Püttlingen auf der Kerb Wilhelm Heitzmann, Jahrgang 1933, kennen, der als Bergmann unter Tage auf der Grube in Kleinrosse­ln arbeitete. Die Hochzeit war am 2. September 1954 in der St. Paulus-Kirche. Tochter Hildegard: „Gefeiert hat das Brautpaar im Garten. Es war eine katholisch­e Hochzeit im Familienkr­eis. Wir sind gläubige Kaim tholiken, waren aber nicht so oft in der Kirche. Wir wohnten in einem Haus, das unsere Freunde das Viermädelh­aus nannten. Wir hatten Stallungen, und wir waren vier Mädels, die in dem kleinen Haus wohnten.“

1968 zog die Familie in Völklingen in ein 180 Quadratmet­er großes

Tochter Tanja Einfamilie­nhaus um. Tochter Gabriele: „Wir haben uns das Haus gekauft. Für 50 000 D-Mark. Das war ein neues Leben. Unsere Eltern haben uns was vorgelebt. Wir waren alle fleißig, haben immer gearbeitet: Auch dann, wenn wir manchmal krank waren, sind wir arbeiten gegangen. Wir haben Garten Salat und Kartoffeln gepflanzt, hatten Obstbäume und hielten Hühner und Kaninchen. Unsere Mutter konnte auch ausgezeich­net kochen. Mehlknödel mit Soße war eines ihrer Hauptgeric­hte. Sonntags gab es oft Rinderroul­ade. Und zum Kaffee den Kuchen, den man Frankfurte­r Kranz nennt. Der war natürlich auch selbst gebacken.“

1961 wurde Vater Wilhelm als eine Art Allroundha­ndwerker im Kreiskrank­enhaus in Völklingen angestellt. Seine Aufgabe war es auch, drei Turnierpfe­rde des leitenden Arztes Dr. Erwin H. zu betreuen und zu pflegen. Die Folge war, dass auch die Töchter Hildegard, Tanja und Steffi reiten lernten und sogar Preise in ihrem Sport gewannen.

„Und sonst?“, frage ich. Tochter Hildegard sagt: „Wir sind eine richtige Familie. Unsere Mutter Marlene hatte fünf Enkelkinde­r.“„Und was habt ihr unternomme­n? Was war beispielsw­eise mit Urlaub?“, frage ich weiter. Tochter Tanja: „Unsere Mutter war mit uns, also mit meiner Schwester Gabriele und mit mir, zum ersten Mal in Urlaub, als sie 60 Jahre alt war. Wir waren auf Fuertevent­ura. Aber sie war in erster Linie Hausfrau und Mutter. Sie hat gekocht, hat die Familienfe­ste vorbereite­t. Oft kamen 20 Freunde und Verwandte, wenn wir Geburtstag gefeiert haben. Und sie hat auch sehr gerne Fernsehen geguckt. ,Wer wird Millionär?’ war eine ihrer Lieblingss­endungen. Sie war sehr gebildet, sie hat viel gewusst und viel gelesen.“

Im Jahr 2002 starb Papa Wilhelm Heitzmann. Er wurde 69 Jahre alt, hatte Bauchspeic­heldrüsenk­rebs. Er wurde in der SHG-Klinik in Völklingen behandelt. Tochter Hildegard: „Er wollte sich nicht mehr helfen lassen. Es gab auch nichts mehr zu helfen. Er starb im Kreis seiner Familie. Unsere Mutter war tapfer. Sie lebte allein, bis zum Juni 2015. Dann zog sie in das Seniorenhe­im St. Josef in Völklingen, fühlte sich sehr wohl dort, traf eine Frau, mit der sie schon zusammen im Kindergart­en gewesen war. Sie trug Gedichte vor, sie konnte singen, hielt Vorträge.“

Tochter Steffi sagt nachdenkli­ch: „Sie war dort wer. Ihr schönstes Erlebnis war, als ihr Lieblingsp­fleger Andreas ihr ein besonders Bad vorbereite­te. Er ließ das Badewasser einlaufen und schmückte es mit vielen Blüten von Blumen, die auf dem Wasser schwammen. Das hat sie nie vergessen und immer gerne erzählt. Im Oktober 2016 wurde sie mit einer Lungenentz­ündung in die Knappschaf­tsklinik in Püttlingen eingeliefe­rt. Sei starb nach der letzten Ölung im Kreis ihrer Familie.“.............................................

Unsere Mutter

war mit uns zum ersten Mal in Urlaub,

als sie 60 Jahre alt war.

 ?? FOTO: FAMILIE HEITZMANN ?? Dieses Foto aus frohen Tagen zeigt die verstorben­e Marlene Heitzmann mit ihrem Ehemann Willi Heitzmann. Er starb bereits im Jahr 2002.
FOTO: FAMILIE HEITZMANN Dieses Foto aus frohen Tagen zeigt die verstorben­e Marlene Heitzmann mit ihrem Ehemann Willi Heitzmann. Er starb bereits im Jahr 2002.

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