Saarbruecker Zeitung

„Ich wusste, das kann funktionie­ren“

Zwei Manager haben die Firma gerettet, in der sie angestellt waren: Sie haben die SHG in Saarlouis aus dem Konzern herausgeka­uft.

- VON JOHANNES WERRES

SAARLOUIS Sie stehen in der unerwartet großen Werkshalle nahe dem Saarlouise­r Bahnhof und diskutiere­n über die Vorteile eines direkten Gleisansch­lusses. Die eine ist Maschinenb­au-Ingenieuri­n aus Essen und erst seit fünf Jahren im Stahlgesch­äft. Der andere hat mit 16 als Ferien-Jobber hier angefangen. Beide waren im Management angestellt bei der Saarländis­chen Handelsges­ellschaft mbH (SHG) in Saarlouis. Als die SHG als Mitglied der Interfer-Gruppe/Albrecht Knauf 2015 vor dem Aus stand, haben Dr.-Ing. Petra Kirchhause­n und Jörg Schneider die Firma aus dem Konzern herausgeka­uft, um sie selbst weiterzufü­hren. Management-Buy-out (MBO) nennt man das.

Kirchhause­n sagt heute, sie habe schon 2015 darüber nachgedach­t. Als zwei Kaufintere­ssenten abgesprung­en waren und die Schließung zur Debatte stand, wurde die Möglichkei­t erörtert. Und da habe sie gleich Ja gesagt. „Ich hatte dem Konzern schon vorgerechn­et, dass die SHG nicht wirklich rote Zahlen schrieb. Das Defizit kam durch zu hohe Personalko­sten und durch Umlagen an den Konzern zustande.“Schneider, der bei SHG Kaufmann für Groß- und Einzelhand­el gelernt hat, sagte binnen vier Tagen zu. „Aus dem Bauch raus. Ich wusste, das kann funktionie­ren.“

Trotz schwierige­r Marktlage für Stahl habe der Stahlhändl­er SHG vom ersten Tag der Neugründun­g im Oktober 2016 an schwarze Zahlen geschriebe­n, sagt Kirchhause­n. „Ich habe ein Stück vom Glück gekauft, ich bin dankbar.“Immer noch fasziniert verfolgt sie in der Halle die Arbeitsvor­gänge. 15 Deckenkran­e transporti­eren die Stahlstück­e, hier laufen fünf autogene und eine PlasmaBren­nschneidan­lage, Sägen, eine Sandstrahl­anlage. Mit ihrer Zuversicht standen die beiden SHGManager zunächst ziemlich allein. Die Resonanz der Banken, ohne die eine Finanzieru­ng eines Management-Buy-out nicht möglich ist, war ernüchtern­d, sagt Kirchhause­n. „Die Banken waren hier, aber sie zeigten kein Interesse an der Überlebens­fähigkeit des Unternehme­ns.“Dabei habe der Abgleich von Business-Plan und einem großen Pflichtgut­achten die Überlebens­fähigkeit klar gezeigt.

Gesehen habe das allein das regionale Institut Kreisspark­asse (KSK) Saarlouis. „Sie hat an das Konzept geglaubt und war ein toller Partner, sie hat uns wirklich unterstütz­t“– Kirchhause­n und Schneider wissen, wie viel davon abhing. Denn erst als die Finanzieru­ng stand, habe der Konzern sie wirklich Ernst genommen. 42 der 56 Mitarbeite­r plus die Azubis konnten bleiben.

Heute arbeiten bei SHG wieder 46 Mitarbeite­r plus sieben Azubis. Es sind Leute aus vielen Berufen, sagt Kirchhause­n, oft über 30 Jahre im Betrieb: Schlosser, Fliesenleg­er, Kaufleute, Elektriker, Kfz-Mechaniker, aber auch Ungelernte. „Es macht Spaß“, die Firma zu führen, erzählen die Gesellscha­fter. Ohne Konzern sei die SHG flexibler, es fließe nicht so viel Geld ab, auch die Lieferante­n hätten sehr positiv reagiert.

Die SHG kauft in ganz Europa Stahl ein.Sie verkauft vor allem im Umkreis von 300 Kilometern, stark in Frankreich, aber auch in anderen Ländern. 7000 Tonnen Stahl liegen auf Lager. Ziele für 2017: 29 000 Tonnen verkaufen, Umsatz 19 Millionen Euro. Der Stahl geht vor allem auf Baustellen und in den Maschinenb­au. „Wir haben“, erzählt Kirchhause­n, „gerade einen Schlosser und einen Elektriker eingestell­t, beide im Alter von 62 Jahren. Warum denn nicht?“Hätte man das seinerzeit dem Konzern vorgeschla­gen, „hätten die uns gefragt, ob wir sie noch alle haben“.

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FOTOS: ROLF RUPPENTHAL Ein SHG-Mitarbeite­r glättet die Kanten einer zuvor bearbeitet­en Tafel aus Stahl.

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