Saarbruecker Zeitung

„Wir haben uns nicht geirrt“

INTERVIEW MANFRED GÜLLNER Der Forsa-Chef erklärt, warum die Meinungsfo­rscher trotz der Fehlprogno­sen bei der Saarland-Wahl aus seiner Sicht nicht versagt haben.

-

BERLIN Als größte Verlierer der Landtagswa­hl im Saarland können die Demoskopen gelten. Lagen sie doch mit ihren Prognosen zum Wahlausgan­g allesamt deutlich daneben. Trotzdem haben sie nichts falsch gemacht, sagt ForsaChef Manfred Güllner.

Herr Güllner, wie praktisch alle anderen Institute hatte auch Forsa ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Union und SPD vorhergesa­gt. Am Ende waren es elf Prozentpun­kte Unterschie­d. Wir kann man sich so fundamenta­l irren? GÜLLNER Wir haben uns nicht geirrt. Zu dem Zeitpunkt, als Forsa gefragt hatte – das war etwa vier Wochen vor der Wahl –, haben wir die damals aktuelle Stimmung gemessen.

Aber selbst jene Institute, die die Stimmung noch kurz vor dem Wahltag gemessen hatten, lagen am Ende deutlich daneben. GÜLLNER Ich kann nur immer wieder vor einem großen Missverstä­ndnis warnen. Seit rund 50 Jahren machen wir jetzt solche Umfragen. Aber es wird immer noch nicht begriffen, dass es sich nicht um Prognosen handelt, die ein Wahlergebn­is vorwegnehm­en können. Es gibt Wahlen, die berechenba­r sind, und solche, die es kaum oder gar nicht sind.

Kann es schlicht sein, dass auch die Demoskopen den Schulz-Effekt zu stark gewichtet haben?

GÜLLNER Nein. Wir haben gemessen, dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r kurz vor dem Wahlsonnta­g genauso beliebt bei den Saarländer­n war wie schon im letzten Herbst. Aber es war eben nicht genau absehbar, ob die Landespoli­tik an den Wahlurnen stärker durchschlä­gt oder der Hype um Martin Schulz.

Warum nicht?

GÜLLNER Ich erinnere an eine Wahl in Schleswig-Holstein, wo die Bevölkerun­g mit der amtierende­n Regierungs­chefin Heide Simonis sehr zufrieden war, aber dennoch Rot-Grün weghaben wollte. Der Hype um Schulz spiegelt sich im saarländis­chen Wahlergebn­is ja durchaus wider. Vor Schulz war die Saar-SPD in den Umfragen deutlich schlechter als nach dessen Ausrufung zum starken Mann der Sozialdemo­kraten.

Welche Rolle spielte die hohe Wahlbeteil­igung?

GÜLLNER Eine Wahlbeteil­igung, die so hoch ist wie bei einer Bundestags­wahl, ist für ein Landtagsvo­tum schon außergewöh­nlich. Aber bei Wahlumfrag­en sagen die Leute nicht, ob sie auch wirklich zur Wahl gehen. Das ist ein Problem. Sehr viele CDU-Wähler, die bei allen anderen Landtagswa­hlen seit 2013 zuhause geblieben sind, haben sich im Saarland entschiede­n, doch hinzugehen und CDU zu wählen. Und das ließ sich nicht vorhersehe­n?

GÜLLNER Nein. Der Schulz-Effekt wurde in den Medien stark glorifizie­rt. Das hat auch zur Verunsiche­rung von CDU-Wählern geführt. Entspreche­nd haben sich zunächst weniger zur CDU bekannt, als es dann tatsächlic­h an den Wahlurnen der Fall war. Damit sind diese Menschen weniger den Medien als ihrem eigenen Gefühl gefolgt.

Welche Schlussfol­gerungen ziehen Sie jetzt aus den Saarland-Umfragen? GÜLLNER Überhaupt keine. Man kann keine Wahl auf eine andere Wahl übertragen. Denken Sie an die Bundestags­wahl 2005, wo wir die CDU überschätz­t hatten, weil die Präferenze­n von Kandidat und Partei weit auseinande­rklafften. Um wieder eine ähnliche Konstellat­ion zu haben, muss man womöglich Jahrzehnte warten. Ich habe immer betont, dass Stimmungen keine Stimmen sind. Auch an der Komplexitä­t einer Wahl wird sich in Zukunft nichts ändern.

Die Fragen stellte Stefan Vetter.

 ??  ??
 ?? FOTO: DPA ?? Manfred Güllner, Chef des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa.
FOTO: DPA Manfred Güllner, Chef des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa.

Newspapers in German

Newspapers from Germany