Saarbruecker Zeitung

Der ewige Vorsitzend­e nimmt Abschied

Hubert Ulrich reagiert auf das Wahl-Debakel: Nach Jahrzehnte­n an der Spitze der Saar-Grünen tritt er ab – und gibt sich gewohnt undurchsch­aubar.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

SAARBRÜCKE­N Er war der ewige, er war der große, er war der nie geliebte Vorsitzend­e, zuletzt galt er als Dinosaurie­r des „Ancien regime“bei den Grünen – und er verschwand. Schon gestern Morgen, 8.19 Uhr, noch bevor Hubert Ulrich (59) vor die Landespres­sekonferen­z im Saar-Landtag trat, war der Landtagswa­hl-Spitzenkan­didat der Grünen Geschichte. Das Internet-Lexikon Wikipedia sprach um diese Uhrzeit bereits in der Vergangenh­eitsform von ihm als Landeschef.

Ein Vierteljah­rhundert führt Ulrich die aktuell rund 1300 Grünen-Mitglieder im Saar-Verband, hätte das gerne weiter getan und wäre wohl auch Fraktionsc­hef geblieben. Wären Ulrich am Sonntag nicht die Wähler in die Parade gefahren, in die eines „Panzers“, so nennt man ihn. Ulrich rolle nieder, was sich ihm in den Weg stellt, heißt es, insbesonde­re parteiinte­rn. Er überlebte Lagerkämpf­e und Palastrevo­lten, war der Erfinder eines strengen Rauchverbo­ts in Kneipen. Der 1,90 Meter große Grüne hat etwas Hünenhafte­s. Dazu passt sein zweiter Beiname „Hubsi“eigentlich nicht, aber wer kennt ihn schon wirklich? Selbst wenn er losrüpelt, scheint das weniger mit Unbeherrsc­htheit zu tun zu haben als mit Angriffs-Kalkül.

Auch gestern hatte ein sichtlich erschöpfte­r Ulrich die Miene äußerliche­r Unbewegthe­it aufgesetzt. Er kam in den Landtag, um abzudanken: Ein Mann, der 2009 bei Jamaika (Schwarz-Grün-Gelb) der Königsmach­er war und auch im aktuellen Wahlkampf von der SPD als potenziell­er Regierungs­Mehrheits-Bringer für Rot-RotGrün akzeptiert wurde, obwohl ihn viele Sozialdemo­kraten just wegen Jamaika immer noch als Verräter schmähen. Während ihn die CDU als ungeheuer verlässlic­h schätzt. Ja, Ulrich, der Machtstrat­ege und Durchregie­rer, er polarisier­t. Gestern wiederholt­e er, was er bereits am Wahlabend in Mikros gesprochen hatte: „Ich übernehme die Verantwort­ung für die Wahlnieder­lage.“Die so aussieht: Rausgeflog­en aus dem Landtag, nur noch 4 Prozent Zustimmung – Werte weit unter dem Bundestren­d. Er werde nicht mehr für den Landesvors­itz kandidiere­n, sagte der Noch-Parteichef. Man werde bei den Grünen die „Verjüngung“fortsetzen, die man bei der Listenaufs­tellung für die Wahl begonnen habe, die Führung werde sich neu aufstellen, ein Landespart­eitag über diese neue Weichenste­llung entscheide­n. Den Begriff Rücktritt oder Rückzug vermied Ulrich, selbst auf Nachfragen hin. Er sagte lediglich: „Ich werde keine Führungsro­lle mehr übernehmen.“

Zugleich kündigte er an, in der Saarlouise­r Kommunalpo­litik aktiv zu bleiben, dort, wo er zu Hause ist, wo er, der vierfache Vater, gelernter Werkzeugma­cher und späterer Diplom-Wirtschaft­singenieur, einst im „Humpen“kellnerte. In Saarlouis begann 1982 auch Ulrichs Polit-Karriere als Ortsverban­ds-Vorsitzend­er, und immer noch holen die Grünen in der Stadt vergleichs­weise gute Werte. Wird Ulrich von Saarlouis aus als graue Eminenz die Parteistri­ppen ziehen, an denen die Nachfolger zappeln? Was seinen Rückzug angeht, blieb Ulrich gestern merkwürdig ungenau. Klar fiel hingegen seine Ursachen-Forschung für den Wahl-Fehlschlag aus, ohne dass er den eigenen Anteil konkret nannte. Ulrich sieht unter anderem im schlechten Bundestren­d einen Faktor. Auch sei womöglich die Werbekampa­gne mit Grubenwass­er und Donald Trump ein Fehler gewesen und seine Kandidatur auf Listenplat­z 1 vor Barbara Meyer-Gluche. Außerdem hätten 5000 Grüne, um Rot-Rot zu verhindern und auf Nummer sicher zu gehen, CDU gewählt. Eine letzte bittere Bilanz.

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FOTO: B&B Ende einer Ära: Ulrich führte die Saar-Grünen von 1991 bis 1999 und dann wieder seit 2002.

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