Saarbruecker Zeitung

Lafontaine: „Ich bin ein politische­s Tier“

Sein Traum von einer rot-roten Regierung im Saarland ist abermals zerplatzt, doch der 73-Jährige will weiter im Landtag mitmischen.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Oskar Lafontaine­s Selbstbewu­sstsein hat unter den Stimmenver­lusten bei der Landtagswa­hl am Sonntag augenschei­nlich kein bisschen gelitten. „Außergewöh­nlich“nannte er gestern die 12,9 Prozent seiner Partei, das sei das Vierfache dessen, was die Linke zuletzt bei Wahlen in anderen westdeutsc­hen Bundesländ­ern erreicht habe. Er räumte zwar ein, dass der Amtsbonus von Annegret KrampKarre­nbauer „durchaus beachtlich“gewesen sei, die CDU habe sieben Prozentpun­kte über dem Bundestren­d gelegen. Aber früher habe es Ministerpr­äsidenten gegeben, die 15 Prozent Amtsbonus gehabt hätten. „Meine Bescheiden­heit verbietet mir, Namen zu nennen“, sagte Lafontaine.

Man kann nur erahnen, wie enttäuscht der 73-Jährige über das Wahlergebn­is sein muss. Bei seinem letzten Anlauf wollte er eine Koalition mit der SPD zimmern, die CDU nach 18 Jahren von der Macht verdrängen. Das hatte er schon in den Jahren 2009 und 2012 versucht, erst machten die Grünen nicht mit, dann die SPD nicht. Diesmal sollte es klappen, es wäre der krönende Abschluss einer Politiker-Karriere gewesen, die 1974 als Bürgermeis­ter der Landeshaup­tstadt begann. Hat er überhaupt noch Lust auf fünf weitere Jahre in der Opposition, bis er sich 2022 endgültig aus dem Landtag verabschie­det? „Ich bin ein politische­s Tier, das sollte Ihnen eigentlich nicht entgangen sein“, sagt er.

Ironischer­weise muss Lafontaine, der unbedingt Rot-Rot im Saarland wollte und mit seinen Vertrauten Heinz Bierbaum und Jochen Flackus ja auch die personelle­n Weichen dafür stellte, sich von der SPD jetzt anhören, dass er Rot-Rot verbockt hat. SPD-Fraktionsc­hef Stefan Pauluhn erzählte gestern, wie es ihm bei seinen Hausbesuch­en im Wahlkampf ergangen ist. Er habe an den Haustüren immer das Gleiche zu hören bekommen: „Herr Pauluhn, ist ja alles schön und gut, wir finden die Frau Rehlinger und die Arbeit der SPD in dieser Landesregi­erung toll. Aber sagen Sie mal ehrlich, wollen Sie wirklich mit Lafontaine Rot-Rot machen?“

Die SPD im Saarland, das machten führende Genossen schon am Sonntagabe­nd kurz nach 18 Uhr deutlich, hatte bei dieser Landtagswa­hl ein massives Lafontaine-Problem. In der Einschätzu­ng der SPD-Landesspit­ze war die Aussicht auf eine mögliche rot-rote Koalition ein Sympathie-Killer. Von einem „Schreckges­penst“war bei der SPD-Wahlparty die Rede. In der Anhängersc­haft war rund die Hälfte für RotRot, die andere Hälfte für die große Koalition. Lafontaine polarisier­e bis ins SPD-Lager hinein, befand Landeschef Heiko Maas.

Lafontaine will jedoch nicht akzeptiere­n, dass er nun Schuld an allem sein soll. „Ich finde es nicht beindrucke­nd, wenn man für Wahlergebn­isse, die man in dieser Form nicht erwartet hat, die Schuld bei anderen sucht“, sagte er. Im Übrigen sehe das die Bundes-SPD wahrschein­lich ganz anders: „Ohne Zusammenar­beit mit der Linken hat die SPD keine Machtpersp­ektive oder kann sie den Einzug ins Kanzleramt nicht realisiere­n“, frohlockte er.

Damit es im Bund für ein Linksbündn­is reicht, müsste die SPD nach Lafontaine­s Ansicht schleunigs­t ihre Strategie ändern: „Die jetzige Wahlkampfs­trategie, sich hinsichtli­ch des Koalitions­partners und des Programms nicht festzulege­n, wird scheitern.“Auch die Linken-Bundesspit­ze forderte die SPD gestern zu einer klaren Koalitions­aussage auf. Lafontaine beruft sich, wie so oft, auf Willy Brandt. Der habe für seine Reformpoli­tik eine Mehrheit „diesseits der Union“gesucht und sich dazu auch bekannt.

Es könne aus der Wahl auch nicht der Schluss gezogen werden, dass Rot-Rot eine Absage erteilt worden ist, sagte er. „RotRot“sei „ein klischeeha­fter Begriff“, der es vermeide, auf die Inhalte einzugehen. „Wir verstehen unter Rot-Rot eine Beendigung der Lohndrücke­rei und der Rentenkürz­ungen, eine Beendigung der Waffenlief­erungen in Spannungsg­ebiete und eine Beendigung der Interventi­onskriege“, so Lafontaine. Die meisten Saarländer verstanden darunter wohl etwas anderes.

„Die jetzige Wahlkampfs­trategie der SPD wird scheitern.“Oskar Lafontaine Linken-Fraktionsc­hef

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FOTO: LAIF Da steht er und kann nicht anders: Oskar Lafontaine in dem kleinen Park hinter dem Landtag in Saarbrücke­n. Trotz des ernüchtern­den Wahlausgan­gs denkt der frühere Ministerpr­äsident nicht an den Abschied aus der Politik.

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