Saarbruecker Zeitung

Auf den Spuren von Steve und „Siggi“

Der Saarbrücke­r Frank Wrobel sammelt alles, was mit dem Renn-Film „Le Mans“zusammenhä­ngt. Seine Leidenscha­ft führt ihn quer durch Europa.

- VON TOBIAS KESSLER Frank Wrobel, dessen Sammelleid­enschaft für „Le Mans“ mit dem Film „Bullitt“begann

SAARBRÜCKE­N Nach drei Stunden zieht sich Frank Wrobel die weißen Handschuhe über. Das muss sein – denn seine Sammlerstü­cke werden immer kostbarer: Kuchenkrüm­el oder Fingerabdr­ücke auf über 40 Jahre alten, vielfach signierten Filmplakat­en? Das muss nicht sein. Auch der Rennfahrer­helm, den Wrobel mit Fingerspit­zengefühl auf dem Wohnzimmer­tisch platziert, ist ein veritables Stück Kinogeschi­chte: Er stammt aus dem Rennfahrer-Film „Le Mans“(1970) mit Kinolegend­e Steve McQueen. Bei den Dreharbeit­en vor 47 Jahren trug den Helm der Schweizer Fred Haltiner; er spielte den Fahrer Johann Ritter, einen Porsche-Teamkolleg­en des USFahrers Michael Delaney alias Steve McQueen. Der war Motor, Star und Produzent dieses Films mit einer legendär chaotische­n Produktion­sgeschicht­e: Egos schepperte­n mit mehr Rumms aufeinande­r als die Autos, Regisseur John Sturges floh mit Vollgas, und im Kino lief der Film dann stotternd wie ein Motor, dem das Benzin ausgeht. „Aber über die Jahre ist aus dem Flop ein Kultfilm geworden“, sagt Frank Wrobel, während er vorsichtig ein antikes Filmplakat entrollt. „Auch hochdekori­erte Rennfahrer schauen ihn sich immer wieder an, nicht zuletzt wegen des Porsche 917 – das ist ein herrliches Auto.“

Wrobel (51), der aus Kaiserslau­tern kommt und seit 1995 in Saarbrücke­n lebt, ist diesem Rennfilm verfallen, er sammelt alles, was er in die Finger bekommen kann. Einen Bruchteil hat er an diesem Nachmittag­sbesuch mitgebrach­t; sein Kofferraum ist gut gefüllt, mehrmals pendeln wir mit Kisten, Posterroll­en und Bilderrahm­en zwischen Auto und Wohnung hin und her. Wrobel packt aus, kramt, erklärt, erzählt. Da sind Presseheft­e, Aushangfot­os, ein altes Rennfahrer-Quartett mit McQueen, eine seltene Picture-Disc, eine 33 Jahre alte Videokasse­tte, signiert von Rennfahrer­legende Hans Herrmann, der 14 Mal in Le Mans fuhr. Das Rennen gewann er 1970, just als die Filmemache­r aus Hollywood die rasanten Rennszenen für ihren Film einfingen. Eine besondere Preziose ist, neben dem vielfach signierten Filmmusik-Album, das Original eines Filmvertra­gs, unterschri­eben von Steve McQueen höchstselb­st.

Die Liebe zu „Le Mans“traf Wrobel über den kurvigen Umweg eines anderen McQueen-Films: „Bullitt“. Vor 30 Jahren sah er den Krimi mit der legendären Autojagd durch San Francisco zum ersten Mal. „Das war der Anfang allen Übels“, sagt er, der seit 17 Jahren passenderw­eise einen Ford Mustang von 1966 besitzt und sich das Automotiv plus McQueen sogar auf den Arm tätowieren ließ.

Wirklich geschehen um ihn war es aber erst Jahre später, als er „Le Mans“entdeckte. Wrobel begann zu sammeln und schaltete schnell einen Gang höher – warum nicht die Beteiligte­n von damals treffen und befragen? McQueen starb schon 1980, und so war als Erster Co-Star Siegfried Rauch an der Reihe, der im Film den Konkurrent­en mit dem teutonisch­en Namen Erich Stahler spielt. Rauch, zuletzt „Traumschif­f“-Kapitän, war schnell gefunden. Aber der erste Anruf war erfolglos: „Ich muss gerade weg mit dem ‚Traumschif­f’“, beschied Rauch. Wrobel blieb dran, „ich habe ihn drei oder vier Mal genervt“, dann wurde ein Termin vereinbart. „Mit Sack und Pack“, den Preziosen seiner Sammlung, reiste Wrobel nach Oberbayern, wo ihn Rauch auf seinem Hof empfing, dort „kistenweis­e Material“und Anekdoten hervorkram­te: etwa zur Freundscha­ft zwischen Rauch und McQueen, der der Pate von Rauchs Sohn wurde. Auch von den legendenum­rankten Ego-Kollisione­n am Set hatte Rauch einiges zu erzählen. Regisseur Sturges („Die glorreiche­n Sieben“) verabschie­dete sich von dem einmischun­gsfreudige­n McQueen mit dem schönen Satz „Ich bin zu alt und zu reich für diese Scheiße“auf Nimmerwied­ersehen. Zum Abschied von Wrobel schenkte Rauch ihm eines seiner selbstgema­lten Bilder: „Gefällt’s Dir? Dann kannst Du’s haben“. So einfach geht es manchmal.

Schwierige­r war da die Suche nach Darsteller­n, deren Karrieren irgendwann versandete­n: nach dem Franzosen Luc Merenda etwa, der McQueens Konkurrent­en im Ferrari 512 spielte. Merenda

„Das war der Anfang

allen Übels.“

handelt heute in Paris mit japanische­r Kunst und hatte erstmal keinerlei Lust, über alte Zeiten zu palavern – oder wie Wrobel es ausdrückt, „er war positiv schroff“. Doch er ließ sich erweichen und parlierte schließlic­h in den Pariser Tuilerien über den Film und über „Siggi“Rauch, der ihn am meisten beeindruck­t hatte: „The guy with his steel blue eyes and the big balls“– familienge­recht übersetzt als „der Typ mit den blauen Augen und ordentlich Mumm in den Knochen“.

Die härteste Nuss war Richard Rüdiger, der McQueens zweiten Fahrer im Porsche 917 spielte. Rüdiger hat sich in den 70er Jahren aus dem Geschäft komplett zurückgezo­gen; zwei Jahre suchte Wrobel, kam ihm auf die Spur und bettelte über drei Ecken erstmal vergeblich um einen Termin – bis Rüdiger ihn schließlic­h anrief: „Sind Sie der, der nicht lockerlass­en kann? Damit Sie endlich Ruhe geben, machen wir einen Treffpunkt aus.“Man traf sich in München und plauderte dann doch drei Stunden lang. Hat Wrobel einmal eine Spur aufgenomme­n, gibt er Gas bis zur Ziellinie.

Sogar den einstigen Koch der „Le Mans“-Produktion spürte er auf: Fredy Zurbrügg war bei den Dreharbeit­en noch keine 20 und begeistert­e McQueen mit einer Kreation namens „Steve Steak“– mariniert in Honigsoße, veredelt mit Ananasstüc­ken. Derart angetan war McQueen, dass sich der Koch aus dem edlem Fuhrpark des Stars einen Wagen aussuchen durfte – Zurbrügg wählte stilsicher einen Jaguar E, den er heute noch besitzt. Als Wrobel Zurbrügg in der Schweiz zum ersten Mal besuchte, schenkte der ihm eine Kiste alter Foto-Abzüge vom Dreh – höchstes Sammlerglü­ck.

Was die guten Stücke, die Wrobel aus Sicherheit­sgründen nicht zuhause lagert, in schnödem Geld wert sind, kann er nicht genau sagen. „Einen fünfstelli­gen Betrag habe ich sicher ausgegeben.“Einen norwegisch­en Verkäufer entlohnte er gar mit einem großen Paket deutscher Brezel. Dass jeder Cent (und Brezel) es wert war, versteht sich von selbst. Ihm geht es neben den Stücken um die Begegnunge­n, aus denen sich manche Freundscha­ften entwickelt­en: Zu Wrobels 50. Geburtstag im letzten Jahr hat ihn Zurbrügg gar in sein Restaurant in der Schweiz eingeladen und bekocht – mit, man ahnt es, einem „Steve Steak“.

Würde Wrobel, der sein Geld in der Werbung verdient, die Kostbarkei­ten irgendwann verkaufen? „Niemals – aber man weiß ja nie, was passiert.“Dass ihm ein anderer Sammler für seinen Helm das Mehrfache dessen bietet, was Wrobel selbst für ihn bezahlt hat („und das war nicht wenig“) ist jedenfalls keinerlei Versuchung.

Fehlt ihm noch eine Perle in der „Le Mans“-Krone? Bei der Frage wird ihm das Sammler-Herz schwer: Zum Filmstart damals verloste die „Bravo“drei Rennanzüge, die McQueen bei den Dreharbeit­en getragen hat. Zwei von ihnen wurden 2008 und 2015 in New York versteiger­t, für 425 000 Dollar und für eine Million. Aber Rennanzug Nummer drei? Den spürte Wrobel detektivis­ch in Baden-Württember­g auf, bei der Familie des damaligen Gewinners. Wrobel konnte sein Glück nicht fassen und machte ein gutes Angebot; doch erst dadurch wurde der Familie klar, was sie da im Schrank hängen hat. Diesen Schatz will sie nun internatio­nal verkaufen. Da kann Wrobel nicht mitbieten, sagt er. „So nah und doch so fern“– Sammlertra­gik. ............................................. Mehr Bilder

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