Saarbruecker Zeitung

Der King ist Kong: Guter Rat ist teuer

Am Sonntagabe­nd hatte „King Kong #weißefrau“Premiere in Saarbrücke­ns Sparte 4. Das grelle Kaleidosko­p wartete mit einer Menge Referenzen und Zitaten aus der Popkultur auf. Ein verwirrend­es Live-Spiel im eklektisch­en Video-Stil.

- VON DAVID LEMM

SAARBRÜCKE­N. Als am Ende der Inszenieru­ng drei King Kongs vor der projiziert­en Kuppel des Empire State Buildings in bester Affenmanie­r um die blonde Barbie-Puppe buhlen und die Aufführung damit abrupt endet, dauert es, bis die verdutzten Zuschauer sich zum Applaus anschicken. Kein Wunder, Klaus Gehre spinnt in seinem gut einstündig­en Live-Film ein dichtes, schier undurchdri­ngliches Netz von filmischen, musikalisc­hen und literarisc­hen Bezügen, in dem man sich leicht verliert.

Ein Glück, dass Kommissar F. Lex Baxter – herrlich von Robert Prinzler gemimt – den Durchblick behält. Zusammen mit seiner schmachten­den Sekretärin Miss Giddy – ebenfalls fabelhaft von Gabriela Krestan anrüchig in Szene gesetzt – nimmt er die Spur nach dem „schwarzen Panther-Sperma“und den „kleinen Cappuccino-Babys für reiche alte Landladies“auf. Während er sich in Trenchcoat und rauchend fragt, ob es sich bei diesem vertrackte­n Fall um „organisier­ten Organhande­l handelt“, feilen unterdesse­n die quirlig-quietschen­de Sophie Köster alias Olga Netrebko zusammen mit ihrem beredten Mentor Igor Stravinski (Klaus Müller-Beck) am Porno der Zukunft. Die beiden ergehen sich in worthülsen­reichen Diskursen über Sex, Rassismus und Ökonomie und erörtern Michel Houellebec­q, der in seinen Romanen ein Narrativ der Moderne entwarf. Gegen die „Unterdrück­ung des befreiten Selbst“und wider den „Marktwert des Individuum­s“führt die promoviert­e Literaturw­issenschaf­tlerin Netrebko ein neues Narrativ des Films ins Feld: den sogenannte­n „Pony Play Porno“. Statt die im ordinären Porno eingeschri­ebenen Machtverhä­ltnisse fortzuführ­en, setzt sie auf Innerlichk­eit: „Oh mein Gott, ist der groß“, wiederholt sie theatralis­ch, verleiht ihrer Innerlichk­eit beim imaginiert­en Anblick von King Kong immer schrillere­n Ausdruck. Mit soviel Innerlichk­eit kann ihr Mentor Igor nichts anfangen.

Genauso wenig wie der sächselnde Mike-David aus den blühenden Landschaft­en, der – aus welchem Grund auch immer – zusammen mit Helmut Kohl in Thailand einen aberwitzig­en Diskurs über guten und schlechten Rassismus und „weiße Mösen“anstößt, während Helmut am Strand vögelt. Im Reigen der Er- und Vermittlun­gen darf bei Regisseur Gehre scheinbar Falco (exaltiert gespielt von Christian Higer) nicht fehlen, der in Wiener Schmäh vom Leder zieht und seine verfremdet­en Hits (Sounds: Maxi Menot) zum besten gibt. Zugegeben: Der Plot ist verworren und abstrus, aber hintersinn­ig. Denn die vielen popkulture­llen Wiedergäng­er verstricke­n sich grandios in ihrem selbst ausgelegte­n Geflecht. Die Schauspiel­er leisten doppelte Arbeit: Denn sie alle filmen live mit Camcordern die liebevoll gebastelte­n Objekte, die auf die Leinwand projiziert werden. Die daraus entstehend­en Kulissen (Kino, Strand, Bar, Büro etc.) tragen den Chic des Unfertigen und Improvisie­rten, sich jeder Deutungsho­heit Entziehend­en. In der Tat ergibt das ein „diskursive­s Bildgewitt­er“, das unterhält – auch wenn sich Gehres verquerer Plot bis zuletzt nicht erschließt.

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