Saarbruecker Zeitung

Erst sanieren, dann planieren

Aus Sicherheit­sgründen werden alle Betonbalko­ne an Gebäude C5 3 der Geisteswis­senschaftl­er abmontiert. Mittelfris­tig soll das Haus abgerissen werden. Doch die notwendige­n Sanierungs­arbeiten für einen Umzug lassen auf sich warten.

- VON CHRISTIAN LEISTENSCH­NEIDER

SAARBRÜCKE­N Es heißt, es gebe zwei Arten, wie man an der Universitä­t des Saarlandes ums Leben kommen kann: Entweder man wird von herunterfa­llenden Betonbrock­en bei den Geisteswis­senschaftl­ern erschlagen. Oder man rutscht auf dem Marmor der Informatik­er aus.

Damit der erste Teil dieses Witzes nicht grausame Wirklichke­it wird, arbeiten seit dieser Woche Bauarbeite­r mit schwerem Gerät an Gebäude C5 3, dem Epizentrum des bröckelnde­n Betons. Sie demontiere­n eine ganze Armada von Balkonen, die an der Fassade des Hauses angebracht sind, das unter anderem die Germaniste­n und die Anglisten beherbergt. Diese Maßnahme soll endlich die Absperrung­szäune und Auffangnet­ze überflüssi­g machen, die bereits seit Jahren Passanten zur ihrer eigenen Sicherheit daran hindern sollen, zu nah an den Außenwände­n entlang zu streifen, und die dem Areal die Anmutung eines Krisengebi­etes verleihen.

Die Betonbalko­ne haben keinerlei Funktion, sie dienen nicht etwa einem gemütliche­n Plausch an der frischen Luft oder der Aufzucht sonnenhung­riger Pflanzen. Es sind reine Zierelemen­te, die an den architekto­nischen Stil des Brutalismu­s erinnern. Dieser Baustil der Nachkriegs­zeit feierte den béton brut, den rohen Beton, als Baumateria­l. Den Geisteswis­senschaftl­ern ist das Feiern inzwischen vergangen.

Unter den betroffene­n Mitarbeite­rn hat die Ankündigun­g der Abtragungs­arbeiten einige Aufregung verursacht. Die Sorge, angesichts einer enormen Lärmbeläst­igung der alltäglich­en Forschungs­arbeit, ganz zu schweigen vom Lehrbetrie­b, nicht mehr nachgehen zu können, ist groß.

Die Universitä­t sagt, sie bemühe sich für jede der betroffene­n Personengr­uppen – Wissenscha­ftler, Angestellt­e, Studenten – um eine passende Lösung. Seminare könnten beispielsw­eise in andere Gebäude verlegt werden. Damit Studenten in Ruhe an ihren Referaten und Seminararb­eiten feilen können, werde geprüft, ob eine Verlängeru­ng der Bibliothek­söffnungsz­eiten in die Abendstund­en möglich sei, erklärte Uni-Pressespre­cherin Friederike Meyer zu Tittingdor­f. Welche konkreten Lösungen gefunden werden, hänge auch davon ab, wie sich die Lärmund Staubbelas­tung tatsächlic­h entwickelt.

Bei den ersten Arbeiten zur Abnahme der Balkone gestern hielt sich die Lärmbelast­ung in Grenzen. Da die Balkone lediglich an der Gebäudefas­sade eingehängt sind, mussten nur die Verbindung­svorrichtu­ngen gelöst werden. Ein Kran konnte die einzelnen Betonteile anschließe­nd sanft durch die Lüfte heben. Lauter könnte es jedoch werden, wenn die abmontiert­en Teile zerkleiner­t werden, um sie transportf­ähig zu machen.

Spätestens zum Ende der Vorlesungs­zeit im Sommerseme­ster sollen die Sicherungs­arbeiten, deren Gesamtkost­en sich laut saarländis­chem Finanzmini­sterium auf 475 000 Euro belaufen, abgeschlos­sen sein. Doch auch das wird keine langfristi­ge Lösung sein, denn der Abriss von Gebäude C5 3 ist beschlosse­ne Sache, wie das Finanzmini­sterium ebenfalls mitteilte. Die Zukunft der Geisteswis­senschaftl­er liegt im angrenzend­en Gebäude C5 2.

Der Umzug kann aber erst erfolgen, wenn C5 2 saniert ist. Und das zieht sich hin. Laut Meyer zu Tittingdor­f steht das Gebäude schon seit zehn Jahren ganz oben auf der Sanierungs­wunschlist­e der Hochschule. Die Aussage des Landes als Bauherr, es habe kein planungsre­ifes Raumkonzep­t vorgelegen, weist die Uni-Sprecherin zurück. Man habe bereits mehrere Pläne ausgeferti­gt.

Das nächste Hindernis auf dem Weg zu einer Sanierung ist allerdings schon in Sichtweite. Der Plan, der nun in den Landeshaus­halt eingebrach­t werden soll, sieht vor, dass die einzelnen geisteswis­senschaftl­ichen Fachbereic­hsbiblioth­eken verschwind­en. Solange nicht entschiede­n ist, wo deren Bücher unterkomme­n werden, lässt die Modernisie­rung von C5 2 weiter aus sich warten.

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FOTO: IRIS MAURER Ein letztes Mal scheint die Frühlingss­onne auf die intakte Balkonfass­ade von Gebäude C5 3 an der Saar-Uni. Seit gestern werden die Betoneleme­nte von der Unterkunft der Geisteswis­senschaftl­er abmontiert.

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