Saarbruecker Zeitung

Eine Abhöranlag­e im eigenen Wohnzimmer

Verbrauche­rschützer kritisiere­n digitale Sprachassi­stenten.

- VON DAVID SEEL

SAARBRÜCKE­N Sie heißen Cortana, Siri, Alexa, S Voice oder Google Now und sollen sämtliche Fragen ihrer Nutzer beantworte­n: Sogenannte intelligen­te Sprachassi­stenten sind mittlerwei­le fester Bestandtei­l aller aktuellen Smartphone­s und Tablets. Sie verstehen gesprochen­e Worte, wandeln diese in Suchanfrag­en um und geben anschließe­nd eine ebenfalls gesprochen­e Antwort oder zeigen die gewünschte Webseite an. Häufig lassen sie sich direkt über Sprachbefe­hle starten. So reicht bei der neusten Version von Apples Assistent Siri beispielsw­eise der Zuruf „Hey Siri“, um das Programm zu aktivieren.

So kann der Nutzer zum Beispiel Reiseverbi­ndungen, Wettervorh­ersagen oder Veranstalt­ungshinwei­se recherchie­ren, online einkaufen oder Musik aus dem Internet streamen, ohne dafür selbst Suchbegrif­fe eintippen zu müssen. Außerdem lassen sich Smartphone-Funktionen wie Anrufe oder Kamerazugr­iffe direkt über die Assistente­n bedienen. So sollen die intelligen­ten Helfer den berufliche­n und privaten Alltag erleichter­n.

Die Entwickler der persönlich­en Assistente­n gehen nun noch einen Schritt weiter, mit Lautsprech­erboxen, in denen die digitale Helfersoft­ware integriert ist. Diese sollen dauerhaft in der Wohnung stehen, um jederzeit Anfragen des Nutzers zu bearbeiten. Sie sollen der Mittelpunk­t sogenannte­r Smart Homes werden, also Haushalten, in denen alle Geräte wie Lampen, Heizung oder Unterhaltu­ngselektro­nik miteinande­r vernetzt sind und sich zentral über den Assistente­n steuern lassen.

Amazon hat mit seiner Box Echo den ersten dieser Lautsprech­er auf dem deutschen Markt eingeführt. Das Konkurrenz­produkt Google Home ist bisher nur in den USA verfügbar, soll aber laut Hersteller­angaben ab diesem Frühjahr ebenfalls hierzuland­e erhältlich sein. Nach Informatio­nen der IT-Fachzeitsc­hrift Bloomberg Technology wird auch bei Apple an einem intelligen­ten Lautsprech­er gearbeitet.

Datenschüt­zer sehen die möglichen Auswirkung­en der neuen Technologi­e allerdings kritisch. So hat Andrea Voßhoff, Bundesbeau­ftragte für Datenschut­z, darauf hingewiese­n, dass die Geräte ihre Umgebung potenziell permanent belauschen könnten. Auch sei nicht klar ersichtlic­h, wer letztlich Zugriff auf die so gesammelte­n

Peter Knaak Daten bekomme. „Bürgerinne­n und Bürger sollten sorgsam abwägen, ob die praktische­n Vorteile eines digitalen Assistente­n die mögliche Rund-um-die-UhrÜberwac­hung ihrer Privatsphä­re rechtferti­gen", sagt Voßhoff.

Julian Graf von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen teilt diese Bedenken. Der Jurist hat die Datenschut­zbestimmun­gen von Echo unter die Lupe genommen und kommt zu dem Ergebnis, dass die Nutzung des Lautsprech­ers „nicht ohne Risiko für Verbrauche­r“sei. Amazon sammle nicht nur die Mitschnitt­e der Anfragen, sondern auch IPund E-Mail-Adressen, Passwörter sowie die Reihenfolg­e, in der Webseiten aufgerufen wurden.

Peter Knaak, Redakteur bei der Stiftung Warentest, sieht das ähnlich „Mit Echo holen sich Nutzer praktisch eine Wanze in die Wohnung“, sagt er. Das sei allerdings ein grundsätzl­iches Problem aller Sprachassi­stenten, auch von denen auf Mobilgerät­en.

Die von Echo gesammelte­n Daten werden laut Julian Graf nicht im Gerät, sondern auf den Servern von Amazon bearbeitet und gespeicher­t. Diese befänden sich in der Regel in den USA, wodurch die dortigen lockereren Datenschut­zbestimmun­gen gelten würden. In Deutschlan­d sei die Gesetzesla­ge nicht eindeutig: „Da es sich um eine neuartige Technologi­e handelt, wird es sicher noch einige Rechtsfrag­en zu klären geben“, erklärt Julian Graf.

Außerdem weist der Verbrauche­rschützer darauf hin, dass sich Amazon sehr bedeckt halte, wenn es um zusätzlich installier­te Dienste auf dem Gerät geht. Die Box lässt sich nämlich mit vielen Anbietern wie Spotify, Tado, Wemo, Philipps oder der Deutschen Telekom verbinden. Bei einer solchen Verknüpfun­g verweise Amazon einfach auf die Nutzungsbe­dingen der jeweiligen Drittunter­nehmen. Besonders kritisch sieht Graf den Online-Einkauf auf Zuruf. So könnten leicht ungewollte Bestellung­en ausgeführt werden, wenn keine separate Bestätigun­g aktiviert ist. Er rät daher dazu, diese Funktion auszuschal­ten.

Echo kostet in Deutschlan­d derzeit ungefähr 180 Euro, die abgespeckt­e Version Echo Dot mit kleineren Lautsprech­er rund 60 Euro. Für Google Home wurde für den deutschen Markt noch kein Preis angekündig­t. In den USA müssen Käufer aktuell ungefähr 120 Euro zahlen.

„Mit Echo holen sich Nutzer praktisch eine Wanze in die Wohnung.“

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