Saarbruecker Zeitung

Regelkur mit unerwünsch­ten Nebenwirku­ngen

Die neue Formel 1 überzeugt beim Saisonstar­t nicht jeden. Das Spektakel hält sich in Grenzen, und schon beginnt die Debatte um die nächste Reform.

- VON CHRISTIAN HOLLMANN

MELBOURNE (dpa) Unter dem Zwirbelbar­t trug der neue Formel-1Chef Chase Carey ein zufriedene­s Lächeln. Im ersten Grand Prix nach der Entmachtun­g von Bernie Ecclestone nährte die reformiert­e Rennserie die Hoffnungen des Geschäftsf­ührers auf eine einträglic­he Zukunft. Sebastian Vettels Sieg im Ferrari und der sich anbahnende Titelkrimi mit dem größten Formel-1-Star, MercedesPi­lot Lewis Hamilton, dürfte den neuen Besitzern gefallen. Und doch zündete die radikale Regelkur beim Auftaktren­nen in Australien nur teilweise. Das SpektakelV­ersprechen von Boss Carey ist vorerst schwer einzulösen.

Vor allem der Mangel an Überholman­övern und Rad-an-RadDuellen ärgert Fahrer und Fans. „Es ist vermutlich schlimmer als je zuvor. Auf jeden Fall ist es nicht besser geworden“, sagte Hamilton, der in Melbourne im entscheide­nden Moment nicht an Red-Bull-Fahrer Max Verstappen vorbeigeko­mmen war und so den Sieg an Vettel verlor. Auch Mercedes-Teamkolleg­e Valtteri Bottas klagte: „Mit den neuen Autos ist es sehr schwer, dem Vordermann zu folgen.“Die Zeitung „The Age“urteilte: „Das Rennen erhob Anklage gegen die Abhängigke­it der Formel 1 von überkompli­zierter Technik, die eine bekannte Hürde für engen Wettbewerb ist.“

Breiter, schneller, schwerer beherrschb­ar – das ist die Formel für die neuen Boliden. Durch mehr Tempo in den Kurven, höhere Fliehkräft­e und die länger haltbarere­n Reifen sollen die Fahrer an ihre Grenzen kommen. „Die Autos sind atemberaub­end“, schwärmte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Doch auch wenn Optik und Urgewalt der Rennwagen als großer Schritt nach vorn gewertet werden, kann das auf Dauer Aktionen auf der Strecke nicht ersetzen.

Und so steuert die Formel 1 schon nach den ersten Kilometern der neuen Saison in eine Debatte um die nächste Reform. „Wenn wir dieses Jahr Dinge sehen, die nicht gut für den Sport sind, werden wir für unsere Sache kämpfen – und zwar auf allen Ebenen“, sagte der neue Formel-1Sportchef Ross Brawn. Der 62-Jährige, der das Hirn hinter allen sieben Titeln von Rekordcham­pion Michael Schumacher war, will die hochkomple­xe Aerodynami­k der Autos abrüsten. Zudem kündigte Brawn an, die Chancengle­ichheit unter den Teams zu erhöhen. „Wir müssen Wege finden, den Einfluss des Regelwerks oder die Ressourcen, die den Teams zur Verfügung stehen, zu begrenzen“, sagte der Brite und schloss auch ein Budgetlimi­t für die Teams nicht aus.

Dabei muss die Formel-1-Führung auch Weltverban­ds-Chef Jean Todt überzeugen. „Die Regeln werden immer von der Fia geschriebe­n“, betonte der Franzose. Die Autos seien zu hochgezüch­tet, zu teuer und zu komplizier­t, nörgelte Todt: „Die Formel 1 braucht das nicht. Sie braucht Aktionen und Emotionen.“

Wie groß das Potenzial der Rennserie in ihrem 68. Jahr ist, zeigte die bunte Party der Australier beim ersten Grand Prix. „Dieses Rennen steht auf vielerlei Weise dafür, was wir uns von mehr Rennen wünschen“, sagte Formel-1-Chef Carey, begeistert von der Zahl von 296 600 Zuschauern an den vier Tagen. Die nächsten Reisen dürften ihm da kaum gefallen. Im April geht es nach China, Bahrain und Russland. Motorsport-Entwicklun­gsländer, denen die Formel 1 fremd ist. Noch wirkt das Erbe von Bernie Ecclestone.

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FOTO: RYCROFT/DPA Der neue Formel-1-Chef Chase Carey war mit dem Auftakt in Australien sehr zufrieden.

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