Saarbruecker Zeitung

Amtsgerich­t: Lkw-Fahrer tötete Radler mit Vorsatz

Angeklagte­r soll sich nun vor dem Landgerich­t verantwort­en – Neuer Vorwurf könnte auf Totschlag oder sogar Mord lauten.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

SAARBRÜCKE­N Paukenschl­ag im Prozess um den 26-jährigen LkwFahrer aus Rumänien, der im September einen Radfahrer in Saarbrücke­n überfahren hat: Nach ausführlic­hen Aussagen dreier Gutachter hat das Schöffenge­richt den Fall gestern an das Schwurgeri­cht am Landgerich­t abgegeben. Für Richter Kai Lohmann steht fest, dass der Angeklagte Ionel H. „mit mindestens bedingtem Vorsatz getötet hat“. Somit handelt es sich nicht mehr um fahrlässig­e Tötung. Die neuen Vorwürfe gegen den Angeklagte­n vor dem Schwurgeri­cht könnten auf Totschlag, aber auch auf Mord zur Verdeckung einer Straftat lauten. Im letzteren Fall könnte eine lebenslang­e Haftstrafe verhängt werden.

Ausschlagg­ebend für diese Entscheidu­ng des Schöffenge­richts waren vor allem die Aussagen des verkehrste­chnischen Gutachters und des Gerichtsme­diziners. In einer einstündig­en Erklärung rekonstrui­erte der Auto-Sachverstä­ndige die zurückgele­gte Strecke von der Annäherung zwischen Lkw und Fahrrad in der Höhe des Saarbrücke­r Römerkaste­lls über die Kreuzung Mainzer Straße/Hellwigstr­aße, wo der Unfall geschah, bis zum Hauptbahnh­of, wo der Lastwagen schließlic­h beim Aufprall gegen einen Betonpfeil­er zum Stehen kam. Die Auswertung der digitalen Tacho-Dateien hätte gezeigt, dass der Lkw-Fahrer mit einem Tempo zwischen 33 bis 36 Kilometer pro Stunde unterwegs war, als er den Radfahrer anfuhr, so der Gutachter. Doch statt anzuhalten, beschleuni­gte Ionel H. nach dem Aufprall, auch das belege die Auswertung der Daten.

Über 350 Meter schleifte er das 28-jährige Opfer noch mit, bis es in der Arndtstraß­e am Boden liegen blieb. Erst dadurch wurde dessen „Schädel hochgradig zertrümmer­t“, beschrieb gestern der Rechtsmedi­ziner. Auch von „massiver Gewalteinw­irkung gegen den Schädel“, die zum Tod führte, war im Obduktions­bericht die Rede. Für das Gericht, alles Hinweise auf ein mögliches Tötungsdel­ikt. „Der Zusammenst­oß allein hätte womöglich nicht die Kraft gehabt, die tödlichen Verletzung­en zu verursache­n“, so Lohmann. Ionel H. hätte davon ausgehen müssen, dass der Radfahrer auch nach der Kollision noch am Leben war.

Außerdem konnten die Sachverstä­ndigen belegen, dass das Opfer durch die Hinterleuc­hte an seinem Rad deutlich sichtbar war und am Unglücksta­g weder alkoholisi­ert noch unter Drogeneinf­luss stand. Erschweren­d hinzu kam für den Angeklagte­n die Aussage der psychiatri­schen Gutachteri­n. Sie bezeichnet­e den 26-jährigen Rumänen als Alkoholike­r. Durch diese Abhängigke­it hätte die Alkoholkon­zentration von 2,45 Promille den Mann in seiner Steuerungs­fähigkeit nicht stark eingeschrä­nkt. Er habe sich in einem Zustand „vom leichten bis mittleren Rausch“befunden, so die Ärztin. Zwar werde durch den Alkoholkon­sum das Blickfeld verengt und die Hemmschwel­le gesenkt, doch die Expertin sagt kategorisc­h: „Der Angeklagte war zur Tatzeit einsichtsf­ähig.“

Das zeige auch die Tatsache, dass sich der Mann, der von der Raststätte Goldene Bremm losgefahre­n war, bis zum Unfall an die erlaubten Geschwindi­gkeiten gehalten habe. Damit war auch die zuerst angenommen­e vermindert­e Schuldfähi­gkeit vom Tisch.

Nachdem gestern der Prozess am Amtsgerich­t geplatzt ist, bleibt Ionel H. erstmal im Saarbrücke­r Gefängnis. Ob er mit seiner Flucht den Zusammenpr­all mit dem Radfahrer vertuschen wollte? Das wird nun die Kammer am Landgerich­t klären müssen.

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FOTO: FABIAN BOSSE In der Saarbrücke­r Arndtstraß­e erinnert ein Fahrrad an den Tod des 28-Jährigen, der von einem Lastwagen überfahren wurde.

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