Saarbruecker Zeitung

Wie Europas Mitte wandert – bis auf einen Raps-Acker

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GADHEIM (dpa/kes) Gerade einmal 76 Einwohner hat das Örtchen Gadheim in Unterfrank­en. Wenn 2019 der Brexit kommt, wohnen die 76 im geografisc­hen Mittelpunk­t der Europäisch­en Union. Die genaue EU-Mitte dürfte dann mitten auf dem Acker von Karin Keßler liegen. Im Moment wächst dort Winterraps. Ein kleiner Holzpfoste­n mit rot-weißem Flatterban­d markiert die künftige Mitte.

Zunächst dachte die Landwirtin an einen Aprilscher­z. Doch Recherchen ihres 25-jährigen Sohnes ergaben, dass die sensatione­llen Nachrichte­n wahr sind. „Mein Sohn schickte mir dann die Koordinate­n über Whatsapp. Ich schrieb ihm spontan zurück: „Jubidu – wir sind der Nabel der EU“, erinnert sich Keßler.

Mittlerwei­le haben die Gadheimer eine gemeinsame WhatsAppGr­uppe. „Gadheim first“heißt die. Und die Bewohner des Ortsteils von Veitshöchh­eim arbeiten auch schon an einem Video, mit dem sie ihre Heimat anpreisen. Vorher aber wird gefeiert. Zum nächsten monatliche­n Stammtisch der Gadheimer will der Veitshöchh­eimer Bürgermeis­ter Jürgen Götz (CSU) einen ausgeben.

Zum Feiern ist auch der bayerische­n Landesregi­erung zu Mute, weil trotz des Brexit und aller Probleme der Europäisch­en Union eines unangefoch­ten bleibt: Bayern ist und bleibt der Mittelpunk­t der EU. Denn der geografisc­he Nabel verschiebt sich von Westerngru­nd in Unterfrank­en um etwa 50 Kilometer nach Südosten ins Örtchen Gadheim, das bei Würzburg liegt. „Bayern bleibt der Mittelpunk­t Europas auch nach dem Brexit“, freut sich Bayerns Heimatmini­ster Markus Söder (CSU).

Dieser Mittelpunk­t ist schon oft gewandert. Im Laufe der vergangene­n Jahre verschob er sich laut dem Nationalen Geografisc­hen Institut Frankreich­s (IGN) von Frankreich nach Belgien und von dort über den Westerwald nach Südosthess­en. In Westerngru­nd liegt er seit Juli 2013; damals trat Kroatien der Union bei, im Zuge der siebten EU-Erweiterun­g seit Bestehen. In Westerngru­nd wanderte der Punkt sogar innerhalb der Gemeinde: Weil die französisc­he Inselgrupp­e Mayotte 2014 Teil der EU wurde, verschob sich das Zentrum um etwa 500 Meter.

Das Institut IGN berechnet den Mittelpunk­t anhand der EUGrenzen. Dazu bestimmt sie den sogenannte­n Flächensch­werpunkt. Würde man die Konturen der Fläche auf eine Platte übertragen und diese an einer Schnur aufhängen, wäre sie im Mittelpunk­t perfekt ausbalanci­ert.

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