Saarbruecker Zeitung

Bei der Einwanderu­ng geht es nur noch um das Wie

LEITARTIKE­L

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Niemand wird ernsthaft bestreiten können, dass Deutschlan­d ein Einwanderu­ngsland ist. Das war es schon, als in den 50er Jahren die „Gastarbeit­er“kamen und entgegen der weitverbre­iteten Vorstellun­g nicht wieder gingen, sondern blieben. Und das ist es auch, weil viele Flüchtling­e hierzuland­e eine sichere Bleibe gefunden haben.

Für sie hat die Bundesregi­erung zuletzt das Integratio­nsgesetz beschlosse­n, um ihnen Sprache, Bildung sowie die hiesigen Werte zu vermitteln. Dieses Gesetz ist auch der Erkenntnis geschuldet, dass es ohne eine viel aktivere staatliche Integratio­nspolitik nicht geht, wenn man Menschen aufnimmt, die man sich nicht ausgewählt hat. Genau das ist jedoch der Unterschie­d zu einem Einwanderu­ngsgesetz, um das die Parteien im Wahlkampf nun ringen werden.

Mit einem solchen Gesetz würden Kriterien oder Vorgaben festgelegt und gebündelt, wie Fachkräfte, die ja unzweifelh­aft dringend benötigt werden, nach Deutschlan­d gelockt werden können. Obwohl die Bundesregi­erung in den letzten Jahren einige Erleichter­ungen bis hin zu einem schnellere­n Nachzug von Familien auf den Weg gebracht hat, ist die Republik nach wie vor kein gelobtes Land für ausländisc­he Spezialist­en. Dafür gibt es zwei Gründe: Der eine ist die Komplizier­theit der aktuellen Rechtsprec­hung, die an vielen Stellen nicht darauf ausgelegt ist, Menschen auch dauerhaft hier zu halten. Aber darum muss es gehen. Der andere Grund ist, dass es Deutschlan­d immer noch an einer Einwanderu­ngskultur fehlt. Anders, als man sie aus den USA, aus Kanada oder Australien kennt. Ein Einwanderu­ngsgesetz könnte daher helfen, Regeln zu vereinfach­en und deutlich praxistaug­licher zu gestalten. Und es könnte zugleich ein anderes Bewusstsei­n für die Notwendigk­eit von Zuwanderun­g schaffen. Das bitteschön aber nicht auf Kosten jener, denen laut Grundgeset­z Schutz und Hilfe zusteht. Wirtschaft­sinteresse­n statt Menschenre­chte, das darf nicht der Deal sein.

Die Grünen haben gestern ihr umfassende­s Konzept für eine gesteuerte Einwanderu­ng vorgelegt. Wobei die Partei diesbezügl­ich kein Alleinstel­lungsmerkm­al hat: SPD und Linksparte­i plädieren ebenso für ein Einwanderu­ngsgesetz, während die Union in dieser Frage gespalten ist und intern mit sich ringt. Angesichts einer alternden Gesellscha­ft und des Fachkräfte­mangels ist die Gestaltung von Einwanderu­ng somit längst keine parteipoli­tische Frage mehr, keine Sache der Ideologie. Sondern eine der Zukunft des Landes, ökonomisch wie gesellscha­ftlich. Gleichzeit­ig darf natürlich die Aufnahmefä­higkeit nicht überforder­t und die eigene Lebenskult­ur nicht gefährdet werden. Bis zur Bundestags­wahl kann es also nur noch darum gehen, welche Partei mit welchem Konzept diese beiden Anforderun­gen am besten erfüllt. Und nicht mehr darauf, ob ein Einwanderu­ngsgesetz überhaupt benötigt wird.

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