Saarbruecker Zeitung

Breites Elternbünd­nis fordert mehr Geld für die Inklusion

Von einem vorläufige­m Stopp der Inklusion wollen die Elternvert­reter aber nichts wissen.

- VON UTE KIRCH

SAARBRÜCKE­N Die Landeselte­rninitiati­ve für Bildung sowie die Landeselte­rnvertretu­ngen von Grund-, Gemeinscha­fts-, Förderund berufliche­n Schulen sprechen sich gegen einen vorläufige­n Stopp der Inklusion aus. Diese Forderung war zuvor vom Verband Reale Bildung (VRB) gekommen, der einen Teil der Gemeinscha­ftsschulle­hrer vertritt (wir berichtete­n). Dies sei nicht nur die falsche Botschaft an die Landesregi­erung, sondern sogar widerrecht­lich, teilte das Elternbünd­nis mit.

Mit dem einstimmig­en Beschluss, die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderun­gen im Schulordnu­ngsgesetz umzusetzen, habe sich der Landtag zu inklusiver Bildung in der Regelschul­e verpflicht­et. Er habe „einen Rechtsansp­ruch auf einen Regelschul­platz in Grund- und weiterführ­enden Schulen geschaffen, vergleichb­ar dem Rechtsansp­ruch auf einen Kita-Platz“, schreiben die Elternorga­nisationen. Dies gehe allerdings nicht zum Nulltarif.

Wie der VRB fordert das Elternbünd­nis daher für Schulen zusätzlich­e Lehrerstun­den sowohl von Regel- als auch von Sonderpäda­gogen. Darüber hinaus müssten auch Berufsgrup­pen wie Sozialpäda­gogen, Erzieher, therapeuti­sche und medizinisc­he Kräfte eingebunde­n werden. Jedes Kind sei ein Testfall für Inklusion, wenn es in eine Regelschul­e wolle. Die Elternvert­reter appelliere­n daher an CDU und SPD, bei den Koalitions­verhandlun­gen mehr Geld für die Bildung zu vereinbare­n, damit Schulen allen Schülern optimale Bildungsch­ancen bieten können – dieser Forderung schloss sich gestern auch die Linke im Landtag an. Darüber hinaus fordern die Elternvert­reter, dass die Landesregi­erung alle zwei Jahre einen Bericht über den Stand der Inklusion vorlegt.

Auch der Verein Miteinande­r Leben Lernen (MLL) widerspric­ht dem VRB. Es sei falsch, dass im Saarland Förderschu­len geschlosse­n würden, weil ihnen Lehrer entzogen würden. „Vielmehr sind bevorstehe­nde Schließung­en von Förderschu­len darauf zurückzufü­hren, dass es dort zu einem starken Rückgang der Schülerzah­len gekommen ist“, sagt MLL-Geschäftsf­ührerin Ilse Blug. Der Äußerung, die UN-Konvention schreibe nicht die Abschaffun­g der Förderschu­len vor, liege eine „verkürzte und verfälsche­nde Interpreta­tion“zugrunde. „So hat der zuständige Genfer UN-Ausschuss noch im vergangene­n Jahr festgestel­lt, dass das Festhalten an den Doppelstru­kturen eindeutig gegen die Konvention verstoßen würde“, schreibt Blug. Auch dass an Grundschul­en die Diagnostik des Förderbeda­rfs nicht mehr durchgefüh­rt werden dürfe, „entbehrt jeder Grundlage“. In der Mehrzahl der Förderbere­iche werde die Diagnostik vor der Einschulun­g vorgenomme­n. Lediglich in den Förderbere­ichen Lernen und sozial-emotionale Entwicklun­g erfolge sie in den ersten Schuljahre­n.

Dem Vorwurf des VRB, dass die Diagnostik geschwächt worden sei, widerspric­ht auch Valentina Trützschle­r, Didaktik-Leiterin der Max-von-der-Grün-Schule in Merchweile­r, einer Inklusions-Pilotschul­e. Die Inklusions­verordnung habe es ermöglicht, dass die Diagnostik innerhalb der Schule selbst durchgefüh­rt werden könne und die Kommunikat­ion darüber zwischen Grund- und weiterführ­ender Schule einen rechtliche­n Rahmen erhalten habe. „Endlich gibt es kein Warten mehr auf Gutachten, die erst mühsam über das Ministeriu­m beantragt werden müssen, bis eine notwendige Förderung beginnen kann“, schreibt sie. Dass nur wenige Lehrer durch Förderschu­llehrer unterstütz­t werden könnten, liegt ihrer Ansicht nach am mangelnden oder noch nicht fertigen Schulkonze­pt, aber „keineswegs an den Möglichkei­ten der Inklusion“. „Sicher wünschen wir Schulen uns alle eine bessere Ausstattun­g mit Ressourcen wie Regelschul­lehrkräfte und Förderschu­llehrkräft­e. Aber auch mit dem, was wir haben, ist bereits viel möglich“, sagt sie. Vor der Inklusion seien Förderschu­llehrer nur für wenige Stunden zur Arbeit mit einzelnen Schülern in die Regelschul­e gekommen. Jetzt würden sie in ein Team eingebunde­n. „Dadurch können alle Lehrkräfte von der eingebrach­ten Fachkompet­enz profitiere­n“, so die Pädagogin.

„Jedes Kind ist ein Testfall für Inklusion, wenn es in eine Regelschul­e will.“ Landeselte­rninitiati­ve für Bildung und die Landeselte­rnvertretu­ngen

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FOTO: IMAGO Dieser Junge hat Trisomie 21. Im Unterricht kümmert sich eine Inklusions­helferin um den Achtjährig­en.

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